Der appe Zahn der Staatsanwältin – Ein Sexualstrafverfahren mit Hindernissen
Es ist schon ein merkwürdiges Verfahren, an dem ich seit nunmehr drei Verhandlungstagen vor dem Amtsgericht Düren teilnehme. In der Sache geht es um einen Fall der sexuellen Nötigung. Beteiligte sind ein Mann und eine Frau, die als Betreuer einer Jugendhilfeeinrichtung an einer Freizeitmaßnahme teilgenommen haben. In der Nacht soll es dann zu einem sexuellen Übergriff des Mannes gekommen sein, den dieser vehement bestreitet. Die Frau hat nach dem angeblichen Tatgeschehen monatelang weiter mit dem Mann vertrauensvoll zusammengearbeitet, erst dann erstmals mit Dritten über den behaupteten Vorfall gesprochen und schließlich nach 14 Monaten Strafanzeige erstattet. Ich hatte im Zwischenverfahren Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorgetragen, die Tatsachenschilderung der Frau und ihr Nachtatverhalten als reichlich lebensfremd bezeichnet und auf die Nullhypothesen-Theorie des Bundesgerichtshofs verwiesen. Das Verfahren war gleichwohl vor dem Schöffengericht eröffnet worden. Die Terminierung des Verfahrens hat mich erstaunt. Der erste Hauptverhandlungstag war auf 13 Uhr anberaumt worden, so dass eine Erledigung ohne Fortsetzung außerordentlich unwahrscheinlich war. In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl der Angeklagte und ich als sein Verteidiger als auch die Nebenklägerin und ihre Anwältin rund 70 Kilometer anreisen müssen, eine eher unglückliche Terminierung, zumal ja jeder kurze Verhandlungstag zusätzliches Geld kostet, das – je nach Verfahrensausgang – der Angeklagte oder die Staatskasse zu tragen hat. Staatsanwältin Schrecklich (so ähnlich heißt sie tatsächlich) neigt zu groben Vereinfachungen. Nachdem der Angeklagte und die Hauptbelastungszeugin und angeblich Geschädigte ihre divergierenden Aussagen gemacht hatten, meinte Frau Schrecklich, sie benötige keine weiteren Zeugen mehr. Für sie sei Alles klar. Sie glaube der Zeugin und der Angeklagte sei gut beraten, wenn er von seiner bestreitenden Linie abgehen würde. Die zahlreichen Unwahrscheinlichkeiten in der Aussage der Zeugin und die teilweisen Abweichungen von ihrer früheren Aussage schienen sie nicht beeindruckt zu haben. Frei nach dem Motto: Wenn ein sexueller Missbrauch behauptet wird, dann ist da auch was dran! Am zweiten Verhandlungstag wurden Zeugen gehört. Die haben nach meinem Verständnis Einiges von dem, was die Zeugin behauptet hat, widerlegt. Ich habe eine Zeugin, die ebenfalls Sozialpädagogin ist und sich auch mit Viktimologie beschäftigt hat, gefragt, ob sie bei dem angeblichen Tatopfer Auffälligkeiten beobachtet hat, die für eine Falschbelastung sprechen könnten. Die Staatsanwältin, die zuvor andere Zeugen gefragt hatte, ob sie der Frau zutrauen zu lügen, hat meine Frage gerügt. Die Zeugin sei keine Sachverständige. Da könne man ja auch gleich die Putzfrau fragen. Am dritten Verhandlungstag sollten noch zwei Zeugen gehört werden. Dann sollte, wenn keine Beweisanträge mehr gestellt würden, plädiert werden. Wir sind wiederum um 13 Uhr zum Termin angereist. Noch vor Sitzungsbeginn war klar, dass der Termin nicht in der geplanten Form stattfinden könnte. Sie könne weder die Zeugen befragen noch plädieren, meinte Frau Schrecklich. Ihr sei vor wenigen Minuten ein Zahn abgebrochen, sie habe Schmerzen und müsse zum Zahnarzt. Dabei hielt sie sich die sonnengebräunte Hand vor den Mund. Mein Mandant und seine Frau, die durch das Verfahren sehr belastet sind, waren entsetzt. Sie hatten sich darauf eingestellt, an diesem Tag Klarheit zu erhalten. Stattdessen wurde nur der Strafregisterauszug verlesen, um überhaupt etwas prozessual Sinnvolles zu tun, dann war die Sitzung beendet. Fortsetzung in 3 Wochen, weil das Gericht jetzt erst einmal in Urlaub fährt. So kann´s kommen. Ich setze trotzdem auf Freispruch, wenn auch mit Verzögerung. Frau Schrecklich wird dann allerdings nicht anwesend sein, weil sie ebenfalls in Urlaub geht. Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft wird dann ein Vertreter oder eine Vertreterin halten, der oder die von der Verhandlung bislang nichts mitbekommen hat. Aber es wird wohl eine Vorlage des bisherigen Sitzungsvertreterin geben, die an Sachlichkeit nicht zu überbieten sein wird.