Der Mythos des Sisyphos. Frau Staatsanwältin, Sie haben ein hübsches Sommerkleid an!

Einen Tag vor meinem Kurzurlaub und das Büro wirkt wie ein Dampfdruckkessel kurz vor der Explosion. Der Deckel wölbt sich unter dem Druck und vibriert metallisch, wenn heißer Wasserdampf pfeifend durch die Ritzen entweicht. Ich hetzte von einem Gerichtstermin zum nächsten. Kaum betrete ich mein Zimmer, schrillen die Telefone wie Presslufthämmer. Ich habe das Gefühl, der Teppichboden unter meinen Füßen bebt, aber was ich fühle ist nur mein Pulsschlag. Ich will diesen Urlaub und zugleich hasse ich ihn. Er bringt mich aus dem Tritt und an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Gerade habe ich den Stapel mit den wichtigsten Akten bearbeitet, und Hoffnung steigt in mir auf, da bringt die Sekretärin den nächsten Berg. Alles ist wichtig! Ich denke an den „Mythos des Sisyphos“ und frage mich, ob Albert Camus Rechtsanwalt war. Das Telefon schreit und die Sekretärin scheucht mich zum 11.15 h – Termin. Außer Atem trete ich vor den Gerichtssaal. Die Verhandlung verspätet sich um 15 Minuten. Ich nutze die Zeit und setze mich auf die Steinstufen vor dem Gericht . Die Sonne brennt mir ins Gesicht, und ich sauge jeden einzelnen Sonnenstrahl auf. Ich halte mein Handy einsatzbereit in der Hand und atme durch. Als die Hauptverhandlung aufgerufen wird, betrete ich – ganz der coole Anwalt – den Gerichtssaal. Ich grüße freundlich und mache meine Scherze. Die Staatsanwältin ist mir neu. Sie blättert ernst und in sich versunken in den Akten. Ihr Plädoyer aber überrascht mich. Sie berichtet davon, wie sie den Angeklagten in der Haftvorführung vor einigen Monaten erlebt hatte. Sie sei über sein Aussehen erschrocken gewesen. Sie habe sich Sorgen um ihn gemacht, da er offenbar wegen seiner Drogensucht kurz vor dem Tod gewesen sei. Heute sähe er 15 Jahre jünger aus. Sie freue sich aufrichtig darüber, dass die Untersuchungshaft ihm gut getan habe. Er mache einen klaren Eindruck und habe Ziele. Sie wünsche sich, dass er die schwierige Therapie durchstehe und ein neues Leben, das den Namen verdiene, beginne könne. Deshalb beantrage sie auch nur eine geringe Freiheitsstrafe. Zu seinem Schutz wolle sie aber, dass er bis zum Antritt der Therapie in Haft bleibe. Sie traue dem jungen Mann mit seiner schwierigen Biographie noch nicht zu, aus der Freiheit heraus durchzuhalten. Ich höre ihre Worte und spüre, sie meint es ernst. Ehe ich aufstehe, um meinerseits etwas zu sagen, regt sich Widerstand gegen die Prämisse, Haft könne irgendjemandem gut tun. Dann schließe ich mich mit meinen eigenen Überlegungen ihrem Plädoyer an. Ich muss innerlich zugeben, sie hat in diesem Falle Recht. Und wieder denke ich an Sisyphos. Solange wir, die Gesellschaft, nichts anderes anzubieten haben als Haft, kann ich ihr nicht ernsthaft widersprechen, auch wenn ich Anderes wünschen würde. Wir verlassen gemeinsam den Gerichtssaal, und auf dem Wege raus mache ich ihr ein Kompliment über ihr hübsches Sommerkleid. „Das ist ein Rock mit Bluse!“, korrigiert sie mich mit einem stillen Lächeln. Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach

Manchmal ist das letzte Wort des Gerichts kaum zu ertragen.

Ich scrolle betont lustlos in meiner Spiegel-App. „Noch Fragen?“, fragt die Vorsitzende. Ich schaue kurz auf und frage die Zeugin gelangweilt, ob sie von den zu ihrem Nachteil veruntreuten 40.000 € ihrer Enkelin vielleicht ein Darlehn gewährt hätte und wie viel Zinsen sie sich in diesem hypothetischen Fall versprochen hätte. Die Frage hat mit dem Fall nichts zu tun und ist völlig belanglos, aber das gilt auch für so ziemlich jede Frage der Vorsitzenden in den vergangenen drei Stunden. Die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils sind nämlich wegen der Berufungsbeschränkung der Staatsanwaltschaft in Rechtskraft erwachsen. Es steht also fest, dass mein Mandant als Versicherungsvertreter Kundengelder veruntreut hat. Ich sitze hier völlig sinnlos seit 3 Stunden rum und werde langsam wütend darüber, wie hier in größter Ineffizienz meine Zeit gestohlen wird. Die Vorsitzende weiß, dass ich um 15 Uhr in eine Schwurgerichtssache muss und auf heißen Kohlen sitze. Hiervon völlig unbeeindruckt rollt sie dennoch die ganze Beweisaufnahme wieder auf. Verliest jeden Papierschnipsel und will von jedem Zeugen genau wissen, wie sehr der Angeklagte ihm geschadet hat. Jetzt fragt sie den Angeklagten für welche Steuerschulden er das veruntreute Geld denn verwendet habe. „Ach, Sie wissen also nicht mehr, ob es sich um Gewerbesteuer handelte? Und wann haben Sie die Steuerbescheide bekommen? Sie wollen uns also erzählen, dass Sie plötzlich 130.000 € Steuern nachzuzahlen hatten?“ Der Mandant versucht ihr zu erklären, dass die Steuerprüfung einen Zeitraum von mehreren Jahren umfasst habe und er nach 5 Jahren jetzt nicht mehr genau wisse, was im Einzelnen moniert wurde und welche Beträge auf die einzelnen Steuerarten fielen. Irgendwann habe er den Kopf in den Sand gesteckt, und es sei auch zu Schätzbescheiden gekommen. Die Schöffen fragen eifrig mit, und aus jeder Frage ist der eindeutige Wille herauszuhören, noch nicht entdecktes Negatives ans Licht zu befördern, um dem Angeklagten die erstinstanzliche Bewährungsstrafe zu verhageln. Ob er denn wisse, dass man Schätzbescheide korrigieren lassen können. Warum er denn keinen Einspruch gegen die Bescheide  eingelegt habe, will der eine Schöffe nun wissen? Ich frage zurück, ob der Schöffe beim Finanzamt beschäftigt sei, und ob er sich vorstellen könne, dass einem die Probleme so über den Kopf wachsen können, dass man nicht mehr adäquat reagiert. Der andere Schöffe fragt den nächsten Zeugen, ob er schon ausgerechnet habe, dass die mittlerweile zur Schadenswiedergutmachung gezahlten 17.000 € noch nicht einmal den Zinsschaden deckten. Und, ob es dem Zeugen nicht merkwürdig vorgekommen sei, dass der Angeklagte ihm das Geld teilweise in bar übergeben habe. Der Zeuge nickt unsicher und schaut dabei entschuldigend rüber zu meinem Mandanten. Ich erlaube mir die Bemerkung, dass es völlig wurscht sei, in welcher Form Geld gezahlt worden sei. Nun fangen die drei Richter an, die Angaben des Angeklagten zu seinem neuen Beruf in Zweifel zu ziehen. „Sie behaupten also, mittlerweile Teppichböden und Laminat zu verlegen? Woher wollen Sie das denn können? Lernt man so etwas als Versicherungsvertreter? Wie viel Gewinn machen Sie denn an einem Quadratmeter? Und damit wollen Sie die Schadenswiedergutmachung hinkriegen?“ „So schlecht kann der Verdienst ja nicht sein, wenn in 5 Monaten schon 17.000 € von meinem Mandanten bezahlt worden sind“, werfe ich genervt ein. Ich weiß, dass wir in dieser Instanz keinen Blumentopf mehr gewinnen werden und die Berufung der Staatsanwaltschaft Erfolg haben wird. Zynisch frage ich, ob das Gericht die Angaben zur Berufstätigkeit meines Mandanten unter Beweis gestellt sehen will, was verneint wird. Meine Überlegung, einen Beweisantrag zur Frage der damaligen Steuerschulden zu stellen, verwerfe ich, da ich weiß, dass die Steuerbescheide bereits in der ersten Instanz zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden. Endlich hört die offen und böse Befragung auf und die Staatsanwältin plädiert auf eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten. Ich bin mittlerweile so geladen, dass ich mein Plädoyer damit einleite, dass Staatsdiener, die ihr Geld jeden Monat sicher auf ihr Konto überwiesen bekommen und die sich nicht um Steuererklärungen groß kümmern müssen, sich offenbar nur schwer vorstellen können, wie das Leben eines Freiberuflers funktioniert. Ja, dass das Finanzamt bis dato gutgehende Unternehmen platt machen könne und dass der daraus entstehende Druck für einen Betroffenen so groß werden kann, dass er tatsächlich den Kopf in den Sand steckt. Ich verweise auf die Argumentation des erstinstanzlichen Richters und darauf, dass die in dem Urteil und den Bewährungsauflagen zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, der Angeklagte werde den Schaden ratenweise wiedergutmachen, bisher nicht enttäuscht worden sei. Ich frage die im Publikum sitzenden Geschädigten, ob sie es ähnlich sähen, wie der schlaue Schöffe und 17.000 € als Nichts betrachten würden. Dann sollten sie mir die 17.000 € nach der Verhandlung geben, ich könne sie gut gebrauchen. Im Wissen auf den Untergang versuche ich dem Gericht klar zu machen, dass der Angeklagte durch eine Inhaftierung seinen beruflichen Neuanfang vergessen könne. Alle bereits jetzt existierenden Bemühungen um einen Broterwerb seien damit dahin. Wenn er – nach dem Willen der Staatsanwaltschaft – mit knapp fünfzig aus der Haft komme, werde er kaum noch einen neuen Job finden. Damit sei letztlich auch die weitere Schadenswiedergutmachung illusorisch. Es kommt, wie es kommen muss, und das Gericht verurteilt den Mandanten zu einer Strafe von 2 Jahren und 8 Monaten. In der Begründung heißt es, das Gericht glaube dem Angeklagten seine Steuerschulden als Motiv für die Veruntreuung nicht. Er könne ja aus dem offenen Vollzug heraus weiterarbeiten, um den Schaden wiedergutzumachen. Pikiert fügt die Vorsitzende hinzu, dass das Gericht meinen Kommentar, die Geschädigten könnten mir ja die 17.000 € geben, nicht zu Lasten des Angeklagten gewertet hätte, über meine Bemerkung könne man allerdings nur den Kopf schütteln. Worüber das Gericht den Kopf meint schütteln zu müssen, ist mir in diesem Moment schnurz. Ich gehe zu den am Eingang wartenden Geschädigten und sage laut und deutlich, dass die Vorstellung des Gerichts, der Angeklagte könne seinen Job im offenen Vollzug behalten und weiter Schadenswiedergutmachung leisten, von schreiender Unkenntnis geleckt sei. Sie könnten sich beim Gericht dafür bedanken, dass weitere Raten nicht mehr folgen werden. Frustriert eile ich zur nächsten Verhandlung und hoffe auf die Revision. So sauer war ich selten! Rechtsanwalt Gerd Meister,

Der Staatsschutz schnüffelt hinter Rechtsanwalt Meister her?

Strafmaß und Bewährungsauflagen waren in einem Vorgespräch einvernehmlich ausgehandelt worden, und dennoch saßen wir in einer rudimentär durchgeführten Beweisaufnahme bereits zweieinhalb Stunden rum und hörten uns Zeugen an. Ich fragte mich gerade, ob die andern Prozessbeteiligten an diesem Tag nichts anderes zu tun hatten und irgendwie sinnvolle Beschäftigung bis zur Mittagspause simulieren wollten, als ich eine E-Mail meiner Sekretärin erhielt. „Lieber Gerd, Ermittlungsverfahren gegen dich! Rufe dringend Herrn KOK Spitzer, Abteilung Terrorismus-Bekämpfung, Tel. xxxx-xxxxx, an.“ „Mmh …?“, instinktiv überlegte ich, welches Verbrechen ich in den letzten Monaten im Zusammenhang mit Terrorismus begangen haben könnte, mir fiel aber spontan nichts Gescheites ein, das zu einem Ermittlungsverfahren hätte führen können. Ich durchkämmte in Gedanken meine letzten Blog-Artikel. Hatte ich da etwas Böses geschrieben? Fühlten sich vielleicht jüdische oder muslimische Mitbürger wegen meiner Kritik an rituellen Beschneidungen terrorisiert? Hatte sich die iranische oder israelische Botschaft beschwert? Nach Verkündung des erwarteten Urteils tigerte ich rüber zur Kanzlei und rief Herrn Spitzer an. „Gut, dass Sie zurückrufen. Ich hatte es schon auf Ihrem Handy versucht und mangels Rückrufes vermutetet, Sie wollten sich meiner Befragung entziehen. Als Rechtsanwalt wissen Sie ja, dass das keinen Sinn macht! Wir haben ermittelt, dass ein weißer Audi A1 mit dem amtlichen Kennzeichen yy- aa1234 auf Sie zugelassen ist. Ihren Wohnort habe ich auch schon inspiziert. Sie wohnen doch auf der Kirchstraße 12 in Neuss?“. „Mmh. Als Rechtsanwalt weiß ich aber auch, dass man gegenüber der Polizei zunächst einmal keine Angaben machen sollte. Worum geht es denn? Meine letzte SDAJ – Sitzung ist ungefähr 50 Jahre her, und ich war nie Mitglied! Und gegen religiöse Beschneidungen habe ich nur humanitäre und medizinische Einwände geäußert!“, versuchte ich es mit einem Scherz. „Aha, warten Sie! Das notiere ich mir direkt. Sie geben also zu, mit der …, wie war das noch gleich …, SDAJ Kontakt gehabt zu haben. Ich vermute, das ist die Abkürzung für Salafisitsche Deutsche Abteilung Jemens? Oder vielleicht Salafistischer Djihad … Allah? … Wofür steht das J?“ „Hallo, Herr Spitzer! Vermerken Sie, was Sie wollen. Ohne Belehrung ist das soweiso nicht verwertbar!“, stammelte ich in zunehmender Verwirrung. Durch den Hörer vernahm ich das Rascheln von Papieren, und nach einer kurzen Pause sagte Herr Spitzer: „Warten Sie, ich lese Ihnen meinen Vermerk vor: Noch ehe der Unterzeichner den Beschuldigten belehren konnte, äüßerte dieser in einem informellen Vorgespräch spontan …“. „Herr Spitzer, jetzt machen Sie mal halblang. Das ist ja gehirnschädlich, was Sie da von sich geben. Jetzt sagten Sie mir endlich, worum es in Dreiteufels Namen geht?“ Ungerührt fuhr Herr Spitzer fort: „Kennen Sie die Dönerbude schräg gegenüber Ihres Hauses?“ „Ach, Sie meinen die von Ali und Mustafa?“. „Sie geben also zu, die Betreiber der Imbissbude persönlich zu kennen?“. „Herr Gott nochmal! Klar kenne ich die. Die machen einen fantastischen Döner und der Thunfischsalat ist auch nicht zu verachten. Wenn ich mal keinen Bock habe zu kochen, hole ich mir da was zum Essen. Aber, was wollen Sie von mir?“, fragte ich nun völlig aus dem Konzept gebracht. Durch die Leitung hörte ich, wie der Beamte leise mitsprach, während er notierte: ´Der … Beschuuuldigte … beruuft … sich … aahuf … Gott …`. Herr Spitzer räusperte sich und legte seinen Eifer für einen Moment ab. Sehr förmlich sagte er: „Gegen Sie liegt eine anonyme Anzeige einer Bürgerin vor, die sehr interessante Beobachtungen gemacht hat! In die Dönerbude gegenüber von Ihrem Wohnhaus – Ich habe mich persönlich davon überzeugt … Sie können von Ihrem Küchenfenster da reinschauen – sind während des diesjährigen Schützenfestes verdächtige und – nach Überzeugung der Anzeigenerstatterin – gefährliche Personen konspirativ ein- und ausgegangen!“. „Langsam gewinne ich den Eindruck, Sie wollen mich verarschen, Herr Spitzer? Ich muss zugeben, dass die Schützen meistens ziemlich besoffen wirken und der eine oder andere mir auch verdächtig vorkommt, wenn er sich da seinen Döner holt. Aber gefährlich? Meinen Sie wegen der albernen Holzgewehre oder den Säbeln? Die sind doch nur zur Dekoration da!“. „Ich rede nicht von den Schützen!“, unterbrach er mich unwirsch. „Ich rede von verdächtigen, bärtigen Männern in Schlafanzügen und Nachthemden, die eindeutig der salafistischen Szene zuzuordnen sind!“. Unwillkürlich strich ich mir über meinen Wochenbart und dachte, dass ich mich doch besser regelmäßig rasieren sollte. Verunsichert fragte ich: „Ja, selbst wenn! Was hat das mit mir zu tun?“. Herr Spitzer legte eine beängstigende, künstliche Pause ein, ehe er fortfuhr: „Jetzt kommt ihr Auto ins Spiel. Es wurde beobachtet, dass diese Verdächtigen mit Ihrem Fahrzeug dorthin anreisen. Und Sie haben sich öffentlich zu den Salafisten bekannt?“. „Wie bitte? Ich habe was? Da muss eine Verwechslung vorliegen!“, äußerte ich empört. „Ich habe es selbst im Internet recherchiert. Sie haben einen Text darüber veröffentlicht, oder stammt der Artikel „ Zeugen Jehovas, Salafisten, Buddha und meine goldene Zündapp“ nicht von Ihnen?“. Als ich das hörte, fing ich laut an zu lachen. „Herr Spitzer, jetzt klär ich Sie mal auf: Der Artikel ist reiner Humbug, eine Art Satire, und Sie haben die Geschichte bestimmt nicht gelesen, sonst würden Sie nicht so einen Quatsch erzählen. Und den Audi fährt ausschließlich meine Frau. Sie ist Christin und stammt aus Armenien, das heißt, sie hat ein historisch begründetes Vorurteil gegen so ziemlich alles, was mit dem Islam zu tun hat. Schon mal was vom armenischen Genozid durch die Türken gehört. Bergkarabach, der Krieg mit den Aserbaidschanern? Meine Frau hat zwar manchmal Haare auf den Zähnen, aber selbst im Bademantel kann man sie kaum mit einem Salafisten verwechseln. Im Übrigen ist ihr Auto mit absoluter Sicherheit die salifistestenfreie Zone in ganz Europa. Und nun zur Dönerbude: Ich kann zwar nicht die Hand für Ali und Mustafa ins Feuer legen, aber auf mich machen die einen ganz normalen, westlich angepassten Eindruck, oder warum meinen Sie, dass selbst die Schützen dort regelmäßig einkaufen. Die beiden nehmen sogar die Schützenparade mit ab. Bei der EM hatten sie eine Deutschlandfahne rausgehängt. Sie tragen weder Bart noch Gespensterverkleidung. Ich wohne direkt gegenüber, und Sie haben Recht. Ich kann in die Imbissbude reinschauen und ich versichere Ihnen, dass ich dort noch nie irgendein Salafistengespenst gesehen habe! Ihre Zeugin hat offenbar einen Dachschaden!“. Schon viel freundlicher

Arman kotzt mich an!

An dem Tag, als der Urgroßvater meines Freundes Arman starb, war seine Familie mit Trauern beschäftigt, und Arman fühlte sich fehl am Platz. So besuchte er mich an dem verregneten Nachmittag, war aber so erschöpft und müde, dass er sofort auf meinem Bett einschlief. Nach einer Stunde schlich ich zum Schlafzimmer, und da lag er wach auf dem Rücken und strahlte mich mit seinen braunen, armenischen Augen an. Ich legte mich für einen Moment zu ihm und streichelte ihm tröstend über den Kopf. Während ich ihm von dem köstlichen Essen berichtet, das ich extra für ihn zubereitet hatte, betrachtete er mich weiter mit seinem hypnotisierenden Blick und lächelte erfreut. Wir gingen nach unten in die Küche. Noch immer sagte er kein Wort und verschlang gierig sein Essen. Dann rülpste er laut und fing begeistert an zu erzählen. Es gibt Menschen, die Armans Geschichten für Blödsinn halten, ja, die behaupten, sie ergäben nicht den geringsten Sinn und das, was er zu sagen hätte, könne keiner so richtig verstehen. Aber diese Menschen hören nicht richtig hin oder sind einfach begriffsstutzig. Und obwohl ich seine Sprache nicht perfekt spreche, verstehe ich Arman und er mich! Ausführlich berichtete er über seine jüngsten, aufregendsten Erlebnisse und kam dabei immer wieder auf sein Lieblingsthema zurück – die Milch, als wichtigstes Lebensmittel, und dass er einfach nicht davon lassen könne. Ich verstand den Wink und reichte ihm die Flasche. Er nahm einen tiefen Zug und berichtete weiter über seine gesunde Leidenschaft. Obwohl ich das Thema von ihm zur Genüge kenne, hörte ich aufmerksam zu. Irgendwann unterbrach ich ihn, schaute ihm tief in die Augen und fragte nachdenklich, ob ihn der Tod seines Urgroßvaters nicht traurig mache. Für einen Moment blickte er mich ernst  an. Dann beugte er sich plötzlich vor, riss mir die Brille vom Kopf und warf sie mit Schmackes auf den Boden, wo sie in zwei Teile zerbrach. Ich zuckte erschrocken zurück. Offenbar war ich ihm bei meiner Frage zu nahe gekommen, und ich hätte es wissen müssen. So ist Arman, und das war jetzt schon die dritte Brille, die er vernichtet hatte. Ich warf die Brillenteile in den Mülleimer und trat auf ihn zu. Dabei hob ich den Zeigefinger und drohte energisch mit dem Ende unserer Freundschaft. Er lächelte mich frech an und sagte: „Öhgröööh!“ Ich schaute ihn an und fragte: „Was hast du gerade gesagt?!“. Ich zog ihn aus seinem Stuhl, nahm ihn am Schlafittchen und hielt ihn mit ausgestreckten Armen über meinem Kopf, und da kotzte er mir auf mein frisches Hemd. Ich wischte die Babykotze mit dem Küchenhandtuch weg und nahm ihn mit in den Flur. Wir betrachteten uns im Dielenspiegel und ich forderte ihn auf: „Hey Kumpel, sag das nochmal. Sag Öhgröööh! Das war klasse!“. Obwohl er es wahrscheinlich viel besser wusste als ich, erklärte ich ihm das universale Wort: „Weißt du Arman, ich kenne mich mit Babys aus, auch mit so vier Monate alten Pupsern, wie du einer bist. Hab schon ne ganze Reihe davon mit groß gezogen, und alle haben irgendwann dieses Wort gesagt. Nicht etwa Auto, Mama oder Papa, nein, das erste Wort war immer Öhgröööh! Und weißt du, was es bedeutet? Naja, es ist schwer zu übersetzen, und es hat wohl mehrere Bedeutungen. Eigentlich drückt  es mehr so ein Gefühl aus, von allen geliebt und respektiert zu werden. Man könnte vielleicht sagen, es drückt die pure Lebensfreude aus! Aber eines ist gewiss: Egal, ob in China, in Afrika, Arabien, Armenien oder hier, alle glücklichen Babys dieser Welt benutzen bestimmt dieses Wort. Und dass du es gerade gesagt hast, beweist, dass auch du glücklich bist, obwohl heute für deine Familie ein sehr trauriger Tag ist. Aber das Leben geht weiter, stimmt´s?! Und ich hoffe, das Öhgröööh-Gefühl bleibt dir für die Zukunft erhalten.“ Ich drehte ihn zu mir, und wir schauten uns an. Er wiederholte das Wort zwar nicht, aber er lächelte mich freundschaftlich an. Ich gab ihm einen Kuss auf die Nase und sagte: „Ich will nämlich nicht, dass du eines Tages auf die schiefe Bahn gerätst und einer meiner Mandanten wirst. Obwohl …, wenn du mir noch eine Brille kaputt machst, fange ich an, mir ernsthafte Sorgen zu machen. Das ginge dann schon in die Richtung von schädlichen Neigungen, und du weißt, was das bedeutet! So, jetzt kriegst du erst einmal eine frische Windel verpasst.“ Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach

Bitte ziehen Sie Ihre Hose wieder hoch!

Nach Besprechung der Akte kamen wir ins Plauschen und irgendwie darauf, dass ich Tattoos für eine hässliche Unsitte halte. Die attraktive Mandantin wirkte für einen Moment verlegen und gestand, dass sie sich gerade eines habe stechen lassen, aber nicht so ein auffälliges, sondern eines, das gut platziert und versteckt an einer geheimen Stelle ihres Körpers angebracht sei, wo es nur Vertraute betrachten könnten. Dann überlegte sie für einen Moment und sagte schelmisch: „Schlimm wäre es, wenn man zu seinem eigenen Anwalt kein Vertrauen hätte!“ Noch ehe ich die logische Konsequenz dieser Aussage zu Ende gedacht hatte, sprang sie auf, drehte mir ihr Gesäß zu und zog sich ohne Umschweife Jeans und Höschen bis auf die Knie runter, um mir ihren entblößten Po zu zeigen. In diesem Moment kam die Sekretärin mit einer Unterschriftenmappe ins Zimmer und erstarrte, als sie den nackten Hintern erblickte. Nach einigen endlosen Millisekunden überwand ich die allgemeine Sprachlosigkeit und stand in einer Art Übersprungshandlung von meinem Stuhl auf, umrundete den Schreibtisch und sagte zur Sekretärin: „Nicht was du denkst!“ Fachmännisch begutachtete ich das Tattoo und fuhr souverän fort: „Also, ich muss zugeben – nicht schlecht!“, wobei ich die Frage nach dem Gemeinten unbewusst offen ließ. „Was meinst du?“, fragte ich die Sekretärin, die ungläubig den Kopf schüttelte und erwiderte: „Ich hab schon schlechtere gesehen. Wirklich ganz hübsch!“ Zur Mandantin sagte ich: „Bitte ziehen Sie ihre Hose wieder hoch. Nicht, dass hier noch einer auf falsche Gedanken kommt.“ Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach