LG Berlin I: Keine Brandstiftung durch Influencer an Silvester
LG Berlin I, Urteil v. 09.04.2025 – 538 KLs 2/25 Der Influencer A. Younes hat an Silvester eine Rakete in eine Berliner Wohnung geschossen. Die Bewohner des Hauses, die sich nicht in dem Zimmer aufhielten, haben die brennenden Überreste aus dem Fenster geworfen und so möglicherweise eine Ausbreitung des Feuers verhindert. Das LG Berlin I verurteilte den Influencer wegen Sachbeschädigung gem. § 303 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und setzte die Strafe Bewährung aus. Vom Vorwurf der versuchten schweren Brandstiftung gem. §§ 306a I Nr. 1, 22, 23 I StGB sowie der versuchten gefährlichen Körperverletzung gem. §§ 224, 22, 23 I StGB sprach das Gericht den Angeklagten mangels Nachweises eines entsprechenden Vorsatzes frei. Zugleich wurde der Haftbefehl – der Influencer wurde am 04.01.2025 am Flughafen BER festgenommen – aufgehoben. Das Urteil ist bislang noch nicht rechtskräftig. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
OLG Hamm: Blitzer umschubsen strafbar
OLG Hamm, Urt. – 4 ORs 25/25 OLG Am Karfreitag 2023 trat ein Mann gegen eine mobile Geschwindigkeitsmessanlage, wodurch diese umkippte und für etwa eine Stunde außer Betrieb war. Zwar wurden weder Kamera noch Messgerät beschädigt, dennoch konnte die Anlage während dieses Zeitraums keine Verkehrssünder mehr erfassen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage – mit Erfolg. Bereits die Vorinstanzen verurteilten den Mann wegen Störung öffentlicher Betriebe gemäß § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Im Revisionsverfahren vor dem OLG Hamm stand eine zentrale Frage im Fokus: Reicht das vorübergehende Umtreten eines Blitzers aus, um ihn als „unbrauchbar“ im Sinne der Vorschrift einzustufen – selbst wenn keine dauerhafte Beschädigung vorliegt? Das OLG bejahte dies. Nach § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer den Betrieb einer dem Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dienenden Anlage dadurch stört oder verhindert, dass er eine für den Betrieb wesentliche Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht. Das Urteil zeigt: Auch eine kurzfristige Funktionsbeeinträchtigung kann strafrechtlich relevant sein – selbst ohne bleibenden Schaden. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
EuGH: Glaskasten für Angeklagte
EuGH, Urteil v. 03.04.2025 – 52302/19 Das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren aus Art. 6 EMRK sei nach dem jüngsten Urteil des EuGH dadurch, dass er während des Prozesses in einem Glaskasten sitzen muss, nicht verletzt. Es sei keine Menschenrechtsverletzung feststellbar, da der Einsatz nicht unverhältnismäßig sei. Berücksichtigung müssen aber alle Umstände des Einzelfalls finden – in dem zugrundeliegenden Fall z. B. die akute Gewaltbereitschaft des Angeklagten. Zudem müsse die Kabine jederzeit eine angemessene Bewegungsfreiheit sowie eine ausreichende Kommunikationsmöglichkeit mit dem Verteidiger zulassen. Problematisch ist in diesen Fällen mit Blick auf die deutsche Strafgerichtsbarkeit, dass sitzungspolizeiliche Maßnahmen (hier: die Verbringung in einen Glaskasten) grundsätzlich nicht anfechtbar sind. Sie werden vielfach als Maßnahmen der Verhandlungsleitung umgedeutet, um ein Rechtsmittel in Form der Beschwerde zu eröffnen. Das hat dann jedoch zur Folge, dass die Maßnahme noch in der laufenden Sitzung beanstandet werden muss, da ein Verstoß ansonsten präkludiert und damit nicht mehr reversibel ist. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
BGH: Mord durch illegales Autorennen
BGH, Beschluss v. 26.03.2025 – 4 StR 487/24 Das LG Hannover hat im ersten Rechtszug die Angeklagte zu sechs und den Mitangeklagten zu vier Jahren Haft verurteilt. Dem Urteil lag ein illegales Autorennen zugrunde, bei dem die Angeklagte auf der Gegenfahrbahn ins Schleudern geriet, als sie sich mit dem Mitangeklagten messen wollte, und bei einem Tempo von ca. 180 km/h mit einem entgegenstehenden PKW kollidierte, wodurch die zwei sich auf dem Rücksitz befindlichen Kinder starben. Die StA hat Revision hinsichtlich der Verurteilung der Angeklagten wegen unerlaubten Kraftfahrzeugrennens eingelegt. Der Mitangeklagten wiederum legte ebenfalls Revision ein. Der BGH hob das Urteil weitestgehend auf und verwies die Sache zurück an eine andere Kammer des LG Hannover. Dieses bewertete den Sachverhalt nunmehr als Mord in Tateinheit mit versuchtem Mord. Es sah die Mordmerkmale der Heimtücke, der gemeingefährlichen Mittel sowie der niedrigen Beweggründe als erfüllt an. Die Angeklagte wurde in dem Zuge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Bei dem Mitangeklagten blieb es bei der Verurteilung zu einer vierjährigen Haftstrafe, da nur er – und nicht die StA – Revision eingelegt hatte und damit das Verschlechterungsverbot des § 358 II 1 StPO greift. Dieses Urteil wurde mit dem vorbezeichneten Beschluss nun bestätigt. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
BGH: Verwertbarkeit von EncroChat-Daten bei Cannabishandel
BGH, Urteil v. 30.01.2025 – 5 StR 528/24 Sachverhalt: Der BGH hat ein Urteil des LG Berlin I aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde. Der Freispruch betraf Anklagevorwürfe, nach denen der Angeklagte mit Cannabis in nicht geringen Mengen Handel getrieben haben soll. Dabei benutzte er sog. EncroChat-Handys; die Anklage wurde auf die entsprechenden Handydaten gestützt. Der Freispruch erfolgt aus Sicht des LG unter dem Gesichtspunkt der Unverwertbarkeit der EncroChat-Daten, der BGH widersprach dem Urteil. Rechtsauffassung des BGH: Die vorgeworfenen Taten waren im Tatzeitpunkt nach § 29a I Nr. 2 BtMG als Verbrechen strafbar. Nach dem Inkrafttreten des KCanG stellen die Taten wiederum nur ein Vergehen nach § 34 I, III KCanG dar. Eine sog. Online-Durchsuchung gem. § 100b StPO, wonach die EncroChat-Daten gewonnen wurden, ist – gestützt auf § 34 I, III KCanG, der nicht Teil des Katalogs des § 100b II StPO ist – nicht zulässig. Grundsätzlich ist deshalb gem. § 2 III StGB das mildere Recht zugunsten des Angeklagten anzuwenden. In Cannabisfällen sind die Daten deshalb grundsätzlich unverwertbar. Der BGH durchbrach mit seiner neusten Entscheidung jedoch diesen Grundsatz: Besonderheit in EncroChat-Fällen sei, dass die Daten von einem EU-Staat erhoben und dann den deutschen Behörden zur Verfügung gestellt wurden. Diese wiederum seien für die deutschen Behörden verwertbar, wenn sie nach der Richtlinie über die europäische Ermittlungsanordnung (RL EEA) rechtmäßig sind. Nach dem Rechtsprechungskomplex des EuGH zur EncroChat-Fällen (EuGH, Urteil v. 30.04.2024 – C-670/22) muss im Rahmen von Art. 6 I RL EEA geprüft werden, ob die Datenübermittlung in einem gleichgelagerten Fall nach deutschem Recht rechtmäßig gewesen wäre. Dabei ist dann jedoch die Rechtslage im Zeitpunkt der Datenanforderung – also (i. d. R. in diesen Altfällen) § 29a I Nr. 2 BtMG – zugrunde zu legen, wonach die Rechtmäßigkeit zu bejahen ist. Zuletzt ging der BGH auch davon aus, dass die aufgrund eines besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffs durch die Online-Durchsuchung vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 100e VI StPO insb. keine verfassungsrechtlichen Bedenken hervorgebracht hat. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter