Wie unterscheiden sich EncroChat, SkyECC und ANOM?

Kategorie EncroChat SkyECC ANOM Entwickler/Betreiber Private Anbieter Private Anbieter Internationale Strafverfolgungsbehörden (FBI, Australien, andere Länder) Primäre Zielgruppe „Kriminelle“ aus verschiedenen Bereichen „Kriminelle“ aus dem Drogenhandel und anderen illegalen Aktivitäten „Kriminelle“, insbesondere im Drogenhandel und der Geldwäsche Verschlüsselung Ende-zu-Ende-Verschlüsselung Ende-zu-Ende-Verschlüsselung Ende-zu-Ende-Verschlüsselung Funktionsweise Modifizierte Android-Smartphones mit selbstzerstörenden Nachrichten und Gerätelöschung Verschlüsselte Kommunikation, selbstzerstörende Nachrichten Verschlüsselte Kommunikation, speziell angefertigte Geräte für Kriminelle Zerschlagung durch Strafverfolgung 2020 durch Europol 2021 durch europäische Behörden (Belgien, Niederlande) 2021 durch FBI, australische Behörden und internationale Zusammenarbeit Juristische Implikationen Debatte über Zulässigkeit der Beweismittel, vor allem in Deutschland vgl. BGH nun abschließend zum Cannabishandel Ähnliche juristische Fragestellungen wie bei EncroChat Wurde vor Gericht akzeptiert, da die Behörden das Netzwerk aktiv kontrollierten Herkunft des Netzwerks Private Entwickler, später von den Behörden infiltriert Private Entwickler, später von den Behörden infiltriert Von Strafverfolgungsbehörden selbst entwickelt und unter Kontrolle gehalten Weltweite Bedeutung Europäische Ermittlungen führten zu zahlreichen Festnahmen und Prozessen Große europäische Ermittlungserfolge, zahlreiche Festnahmen Weltweit, mehrere tausend Verhaftungen und internationale Ermittlungen Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Was ist EncroChat?

EncroChat war lange Zeit ein hochsicheres Kommunikationsnetzwerk, das vorrangig von Kriminellen genutzt wurde, um verschlüsselte Nachrichten auszutauschen. Entwickelt als abhörsicheres System, geriet es 2020 in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden, als europäische Ermittler es erfolgreich infiltrierten und Millionen geheimer Nachrichten auswerteten. Dies führte zu zahlreichen Verhaftungen und spektakulären Prozessen. Die Entstehung von EncroChat EncroChat wurde als hochsicheres Kommunikationsmittel konzipiert. Die speziell modifizierten Android-Smartphones, ausgestattet mit verschlüsselten Messenger-Diensten, boten selbstzerstörende Nachrichten und die Möglichkeit, im Notfall das gesamte Gerät zu löschen. Die Anbieter vermarkteten das System mit dem Versprechen absoluter Sicherheit – ein Aspekt, der besonders für Personen aus dem organisierten Verbrechen attraktiv war. Die Zerschlagung durch Europol Im Jahr 2020 gelang es französischen und niederländischen Ermittlern, mithilfe von Europol Zugriff auf EncroChat-Server zu erhalten. Die Behörden spielten eine spezielle Malware auf die Geräte, die es ermöglichte, Nachrichten in Echtzeit mitzulesen. Dies führte zu unzähligen Ermittlungserfolgen: Drogennetzwerke, Waffenhandel und sogar Mordaufträge wurden aufgedeckt. Die Operation war eine der größten Aktionen gegen die organisierte Kriminalität in Europa. Juristische Implikationen und umstrittene Beweisverwertung Die rechtliche Aufarbeitung der EncroChat-Ermittlungen wirft zahlreiche Fragen auf. In Deutschland ist insbesondere umstritten, ob die gewonnenen Daten als Beweismittel zulässig sind. Kritiker argumentieren, dass die Methoden der Behörden gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen, insbesondere gegen das Fernmeldegeheimnis und den Grundsatz eines fairen Verfahrens. Gerichte in verschiedenen Ländern haben unterschiedlich entschieden: Während in Großbritannien die Beweise weitgehend zugelassen wurden, zeigen sich deutsche Gerichte teils skeptisch. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

BGH: Verwertbarkeit von EncroChat-Daten bei Cannabishandel

BGH, Urteil v. 30.01.2025 – 5 StR 528/24 Sachverhalt: Der BGH hat ein Urteil des LG Berlin I aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde. Der Freispruch betraf Anklagevorwürfe, nach denen der Angeklagte mit Cannabis in nicht geringen Mengen Handel getrieben haben soll. Dabei benutzte er sog. EncroChat-Handys; die Anklage wurde auf die entsprechenden Handydaten gestützt. Der Freispruch erfolgt aus Sicht des LG unter dem Gesichtspunkt der Unverwertbarkeit der EncroChat-Daten, der BGH widersprach dem Urteil. Rechtsauffassung des BGH: Die vorgeworfenen Taten waren im Tatzeitpunkt nach § 29a I Nr. 2 BtMG als Verbrechen strafbar. Nach dem Inkrafttreten des KCanG stellen die Taten wiederum nur ein Vergehen nach § 34 I, III KCanG dar. Eine sog. Online-Durchsuchung gem. § 100b StPO, wonach die EncroChat-Daten gewonnen wurden, ist – gestützt auf § 34 I, III KCanG, der nicht Teil des Katalogs des § 100b II StPO ist – nicht zulässig. Grundsätzlich ist deshalb gem. § 2 III StGB das mildere Recht zugunsten des Angeklagten anzuwenden. In Cannabisfällen sind die Daten deshalb grundsätzlich unverwertbar. Der BGH durchbrach mit seiner neusten Entscheidung jedoch diesen Grundsatz:  Besonderheit in EncroChat-Fällen sei, dass die Daten von einem EU-Staat erhoben und dann den deutschen Behörden zur Verfügung gestellt wurden. Diese wiederum seien für die deutschen Behörden verwertbar, wenn sie nach der Richtlinie über die europäische Ermittlungsanordnung (RL EEA) rechtmäßig sind. Nach dem Rechtsprechungskomplex des EuGH zur EncroChat-Fällen (EuGH, Urteil v. 30.04.2024 – C-670/22) muss im Rahmen von Art. 6 I RL EEA geprüft werden, ob die Datenübermittlung in einem gleichgelagerten Fall nach deutschem Recht rechtmäßig gewesen wäre. Dabei ist dann jedoch die Rechtslage im Zeitpunkt der Datenanforderung – also (i. d. R. in diesen Altfällen) § 29a I Nr. 2 BtMG – zugrunde zu legen, wonach die Rechtmäßigkeit zu bejahen ist. Zuletzt ging der BGH auch davon aus, dass die aufgrund eines besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffs durch die Online-Durchsuchung vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 100e VI StPO insb. keine verfassungsrechtlichen Bedenken hervorgebracht hat.  Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter