Nach einem eskalierten Streit begab sich der Angeklagte mit einem ausgeklappten Einhandmesser zur Wohnung des Geschädigten. Unter dem Vorwand einer Entschuldigung täuschte er Friedfertigkeit vor, stach dann jedoch überraschend mit dem Messer in den Halsbereich des Opfers. Dieses überlebte schwer verletzt.
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit zwei zentralen strafrechtlichen Fragen zu befassen: Erstens, ob ein hinterlistiger Überfall im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorlag, und zweitens, ob ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch eines Tötungsdelikts (§ 24 Abs. 1 StGB) angenommen werden konnte.
Der BGH stellte klar, dass ein hinterlistiger Überfall regelmäßig bereits dann vorliegt, wenn der Täter – wie hier – in friedfertiger Weise auftritt, seine wahre Absicht verbirgt und das Opfer dadurch überraschend und ohne Verteidigungsmöglichkeit angegriffen wird.
Zugleich betonte der BGH die maßgebliche Bedeutung des sog. Rücktrittshorizonts bei der Frage, ob ein Versuch beendet oder unbeendet ist. Hält der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Erfolg nicht für möglich, kann ein strafbefreiender Rücktritt durch bloßes Aufgeben der weiteren Tatausführung vorliegen – selbst bei gefährlichen Gewalthandlungen.
Im vorliegenden Fall hielt der Angeklagte nach der Stichbewegung offenbar den tödlichen Erfolg nicht mehr für wahrscheinlich und ließ von weiteren Angriffen ab. Damit war ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch anzunehmen.
[BGH, Urteil vom 30.01.2025 – 4 StR 243/24]
Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter