In einem Strafverfahren wegen eines mutmaßlichen Tötungsdelikts hatte der Angeklagte nach einem Autounfall im Krankenhaus spontan Angaben zum Tatgeschehen gemacht. Die Polizei hatte zuvor auf eine förmliche Vernehmung verzichtet – unter Verweis auf den Gesundheitszustand des Beschuldigten. Fraglich war, ob diese Äußerungen in der Hauptverhandlung verwertet werden durften oder ein Beweisverwertungsverbot nach § 136a StPO eingreift.
Der Sachverhalt:
Nach einer Messerattacke auf seine Ex-Partnerin wurde der Beschuldigte selbst verletzt und kam ins Krankenhaus. Dort erhielt er leichte Schmerz- und Beruhigungsmittel. Ein Polizeibeamter eröffnete ihm, dass er als Beschuldigter gelte, belehrte ihn ordnungsgemäß, erklärte aber, dass keine Vernehmung stattfinden werde. Dennoch äußerte sich der Beschuldigte im Rahmen der Spurensicherung ungefragt zur Tat.
Die Entscheidung des BGH:
Der Bundesgerichtshof verneinte ein Beweisverwertungsverbot:
🔹 Keine Vernehmung im prozessualen Sinn:
Da der Polizeibeamte ausdrücklich mitteilte, keine Vernehmung durchführen zu wollen, lag keine „Aussageverlangen“ im Sinne von § 136a StPO vor. Die Äußerungen erfolgten ungefragt im Kontext anderer Maßnahmen und sind damit nicht durch § 136a Abs. 3 StPO geschützt.
🔹 Keine vernehmungsähnliche Situation:
Auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur-Grundsatz) greift kein Schutz. Es gab keine Täuschung, keinen Zwang, keine Umgehung des Schweigerechts – der Beschuldigte hatte sich nicht auf sein Schweigerecht berufen und sprach von sich aus.
🔹 Spontanäußerungen sind verwertbar:
Der BGH stellt klar: Spontan gemachte Angaben, die nicht auf Vernehmungsdruck oder polizeiliche List zurückgehen, unterliegen grundsätzlich keiner Verwertungsbeschränkung.
Bedeutung für die Praxis:
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass der Schutz des Beschuldigten nach § 136a StPO nicht überspannt werden darf. Spontanäußerungen bleiben – trotz kritischer Gesamtsituation – verwertbar, solange keine vernehmungsähnliche Konstellation oder aktive Umgehung des Schweigerechts vorliegt.
[BGH, Urt. v. 24.04.2025 – 5 StR 729/24]
Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter