Egon Schiele war doch kein Kinderschänder!

Ich gebe es zu. Die Tatsache, dass der zusammen mit Gustav Klimt und Oskar Kokoschka bedeutendste Künstler der Wiener Moderne, der Expressionist Egon Schiele, wegen des Verdachtes des sexuellen Missbrauchs am 13. April 1912 in der westlich von Wien gelegenen Stadt Neulengbach verhaftet wurde, ist bloß ein Aufhänger, um im Strafblog – völlig am Thema vorbei – einen Kulturtipp zu geben.

Vor einigen Wochen hörte ich auf der Autofahrt zu irgendeinem Gericht einen Bericht auf WDR 5. Es ging um die Auszeichnung des Comic-Biografen Willi Blöß mit dem Deutschen Biografiepreis 2012.

Der Mann begann mich zu interessieren und so forschte ich am Abend ein wenig im Internet, um mehr über den Preisträger zu erfahren. In den Westfälischen Nachrichten wurde ich fündig. Dort stand sinngemäß zu lesen, dass der Aachener Autor und Illustrator Willi Blöß seit 2002 ca. 20 Künstlerbiografien als Comics im Taschenkalenderformat erstellt hat, die sowohl inhaltlich als auch künstlerisch besonders gelungen seien. In dem WDR 5-Bericht hatte ein Kunsthistoriker behauptet, man könne die Heftchen in 15 Minuten durchlesen und erführe alles Wichtige über den Werdegang des jeweiligen Künstlers.

Ich rief die Homepage von Blöß www.kuenstler-biografien.de auf und bestellte alle Biografien für den Spottpreis von 3€ pro Heft. Einige Tage später erhielt ich mit der Post einen richtigen, kleinen Schatz:

Comicbiografien von

Heronymus Bosch

Pablo Picasso

Caspar David Friedrich und William Turner

Nam June Paik

Paula Modersohn-Becker

Hundertwasser

Andy Warhol

Frida Kahlo

Salvador Dali

Horst Janssen

Gustav Klimt

Ottmar Alt

David Hockney

Vincent van Gogh

Der Blaue Reiter

Joseph Beuys

Klaus Staeck

Keith Haring

George Grosz

Niki de Saint Phalle

und eben Egon Schiele, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte.

Ich nahm das kostbare Heftchen in die Hand, betrachtete die sehr gelungenen Illustrationen und las mit Begeisterung die knackige Story von Egon Schieles Leben im Wien um das Jahr 1900. So sehr seine damals provozierende Malerei das damalige Establishment aufregte, so sehr schienen Kinder und Jugendliche von dem jungen Künstler fasziniert gewesen zu sein. Sie besuchten ihn in seinem Atelier und Freundschaften entstanden. Als ihm aber ein 13jähriges Mädchen von Wien aus nach Neulengbach, wo er sich vor den Protesten spießiger Kritiker hingeflüchtet hatte, nachreiste, platzte der Obrigkeit der Kragen. Man beschuldigte ihn der Entführung und des Missbrauchs. Der Vorwurf wurde wenig später von den Eltern des Mädchens zurückgezogen. Übrig blieb aber eine Anklage wegen seiner pornographischen Bilder. Ein Richter verurteilte ihn in beispielhafter Doppelmoral schließlich zu 24 Tagen Gefängnis, aber nicht etwa wegen der Fertigstellung pornographischer Bilder, sondern weil diese überall offen herumgelegen hatten.

Jetzt freue ich mich auf die nächsten Heftchen, die ordentlich gestapelt vor mir liegen. Im November soll übrigens die 22. Biografie über Edward Hopper erscheinen. Die werde ich mir natürlich auch besorgen!

Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach


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