Gesamtstrafenbildung, §§ 53-55 StGB

Die Bildung von Gesamtstrafen ist ein wesentlicher Aspekt des deutschen Strafrechts und hat erhebliche praktische Bedeutung. Sie dient dazu, das Strafmaß für mehrere Straftaten, die von einer Person begangen wurden, zu harmonisieren und eine verhältnismäßige Bestrafung sicherzustellen. Diese Thematik ist nicht nur für die Strafzumessung von Bedeutung, sondern auch für die Durchsetzung des Schuldprinzips und die Wahrung der Gerechtigkeit im Strafverfahren. Dieser Aufsatz behandelt die rechtlichen Grundlagen, den Ablauf der Gesamtstrafenbildung sowie die besondere Thematik der nachträglichen Gesamtstrafenbildung. I. Rechtsgrundlagen Die rechtlichen Grundlagen für die Gesamtstrafenbildung finden sich in den §§ 53 bis 55 des Strafgesetzbuches (StGB). 1. § 53 StGB: Tatmehrheit § 53 StGB regelt die Tatmehrheit, also Fälle, in denen eine Person mehrere Straftaten begangen hat, die in getrennten Verfahren abgeurteilt werden. Hiernach ist eine Gesamtstrafe zu bilden, wenn eine Person wegen mehrerer selbständiger Straftaten verurteilt wird, die nicht gleichzeitig abgeurteilt wurden.  2. § 54 StGB: Bildung der Gesamtstrafe § 54 StGB enthält die konkreten Bestimmungen zur Bildung der Gesamtstrafe. Die Einzelstrafen werden hierbei zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen, wobei die höchste Einzelstrafe als Ausgangspunkt dient und durch angemessene Erhöhung eine Gesamtstrafe bestimmt wird. Die Gesamtstrafe darf jedoch die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen, um eine Überbestrafung zu vermeiden. Dabei wird die höchste Einzelstrafe als Einsatzstrafe genommen und durch Erhöhung eine Gesamtstrafe bestimmt, wobei die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf. Als Gesamtstrafrahmen ergibt sich dabei also als untere Schranke die Einsatzstrafe und als Obergrenze die Summe der Einzelstrafen.  Als Faustformel – die keinesfalls einzelfallgerecht ist, sondern als bloße Überschlagung dient – wurde sich folgende Gleichung entwickelt: 3. § 55 StGB: Nachträgliche Gesamtstrafenbildung § 55 StGB regelt die nachträgliche Gesamtstrafenbildung. Diese Norm kommt zur Anwendung, wenn eine Person bereits verurteilt wurde und anschließend wegen einer weiteren Tat, die vor der ersten Verurteilung begangen wurde, verurteilt wird. In solchen Fällen kann das Gericht die Gesamtstrafe nachträglich bilden, indem es die frühere Strafe in die neue Gesamtstrafe einbezieht. II. Ablauf der Gesamtstrafenbildung 1. Ermittlung der Einsatzstrafe Der erste Schritt bei der Gesamtstrafenbildung ist die Ermittlung der Einsatzstrafe. Hierbei handelt es sich um die höchste Einzelstrafe, die für eine der begangenen Straftaten verhängt wurde. Diese Einsatzstrafe bildet die Basis für die Berechnung der Gesamtstrafe. 2. Bestimmung der Gesamtstrafe Anschließend wird die Einsatzstrafe durch angemessene Erhöhung zur Gesamtstrafe bestimmt. Die Erhöhung richtet sich nach dem Gewicht der weiteren begangenen Straftaten und soll eine angemessene Gesamtbestrafung sicherstellen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen nicht erreicht. 3. Berücksichtigung mildernder und erschwerender Umstände Bei der Bestimmung der Gesamtstrafe sind mildernde und erschwerende Umstände zu berücksichtigen. Dies können beispielsweise die Schwere der begangenen Taten, das Verhalten des Täters nach der Tat, seine Lebensumstände sowie seine Einsicht und Reue sein. Das Gericht hat dabei einen weiten Ermessensspielraum, um eine gerechte Strafe festzulegen. III. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB tritt in den Fällen in Kraft, in denen nach einer bereits rechtskräftigen Verurteilung eine weitere Verurteilung wegen einer vor der ersten Verurteilung begangenen Tat erfolgt. 1. Voraussetzungen Die wesentlichen Voraussetzungen für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung sind: 2. Verfahren Das Verfahren zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung sieht vor, dass das Gericht, welches die neue Verurteilung ausspricht, auch die bereits verhängte Strafe berücksichtigt und eine einheitliche Gesamtstrafe bildet. Dabei wird die Strafe der früheren Verurteilung in die neue Gesamtstrafe einbezogen, um eine gerechte und verhältnismäßige Bestrafung zu gewährleisten. 3. Auswirkungen Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung hat zur Folge, dass die ursprünglich verhängte Strafe durch die neue Gesamtstrafe ersetzt wird. Dadurch kann es zu einer Erhöhung oder Reduzierung der Gesamtstrafe kommen, abhängig von den konkreten Umständen der Fälle. Dies soll verhindern, dass der Täter durch gestaffelte Verurteilungen unangemessen hart oder zu milde bestraft wird. IV. Die Zäsurwirkung Die Zäsurwirkung spielt eine zentrale Rolle bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung und beeinflusst maßgeblich die Möglichkeit der Bildung einer Gesamtstrafe. 1. Definition und Bedeutung der Zäsurwirkung Die Zäsurwirkung tritt ein, wenn zwischen zwei oder mehreren Straftaten eine rechtskräftige Verurteilung liegt. Diese Verurteilung markiert eine Zäsur, die die Straftaten zeitlich voneinander trennt und die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe grundsätzlich ausschließt. Die Zäsurwirkung verhindert somit, dass Straftaten, die vor und nach einer solchen Zäsur begangen wurden, zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst werden. 2. Rechtsfolgen der Zäsurwirkung Die Zäsurwirkung hat zur Folge, dass Straftaten, die nach der ersten rechtskräftigen Verurteilung begangen wurden, nicht in die Gesamtstrafe der vorherigen Straftaten einbezogen werden können. In der Praxis bedeutet dies, dass für Straftaten, die vor und nach der Zäsur begangen wurden, getrennte Strafen verhängt werden müssen. 3. Ausnahmefälle In bestimmten Ausnahmefällen kann die Zäsurwirkung durchbrochen werden. So kann es beispielsweise sein, dass eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung trotz einer Zäsur möglich ist, wenn zwischen den Straftaten und der Verurteilung ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und die Straftaten einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellen. V. Beispielsfälle Beispiel 1: Keine Zäsurwirkung Ein Täter wird im Jahr 2022 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Im Jahr 2023 wird er wegen eines Diebstahls, den er im Jahr 2021 begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Da der Diebstahl vor der Verurteilung im Jahr 2022 begangen wurde, bildet das Gericht eine nachträgliche Gesamtstrafe. Die Einsatzstrafe beträgt 10 Monate (höchste Einzelstrafe), und durch Erhöhung wird eine Gesamtstrafe von 15 Monaten festgesetzt. Beispiel 2: Zäsurwirkung tritt ein Ein Täter wird im Jahr 2022 wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Im Jahr 2023 begeht er einen Diebstahl und wird dafür im Jahr 2024 zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Da der Diebstahl nach der Verurteilung im Jahr 2022 begangen wurde, kann keine nachträgliche Gesamtstrafe gebildet werden. Die beiden Strafen werden getrennt vollstreckt. Beispiel 3: Gesamtstrafenbildung bei gleichzeitiger Verurteilung Ein Täter wird wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Da beide Taten in einem Verfahren abgeurteilt werden, bildet das Gericht eine Gesamtstrafe. Die Einsatzstrafe beträgt 8 Monate (höchste Einzelstrafe), und durch Erhöhung wird eine Gesamtstrafe von 12 Monaten festgesetzt. Beispiel 4: Nachträgliche Gesamtstrafenbildung Ein Täter wird im Jahr 2022 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Im

Durchsuchung bei Dritten, § 103 StPO

§ 103 StPO (1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine Straftat nach § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs oder nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten begangen zu haben, ist eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, daß sich der Beschuldigte in ihm aufhält. (2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 gelten nicht für Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder die er während der Verfolgung betreten hat. 1. Was regelt § 103 StPO? § 103 StPO regelt die Durchsuchung bei anderen Personen. Andere Personen im Sinne der Vorschrift sind 2. Wann ist eine Durchsuchungsanordnung danach zulässig? Die Durchsuchung beim Dritten ist zulässig, wenn sie ein Tatsachenverdacht vorliegt. Ein Tatsachenverdacht ist dann gegeben, wenn die Durchsuchung erforderlich ist 3. Wer darf eine Durchsuchung anordnen? Vor Erhebung der öffentlichen Klage muss ein Ermittlungsrichter (§ 162 Abs. 1 S. 1 StPO) die Durchsuchung anordnen (§ 105 Abs. 1 StPO), ab Erhebung der öffentlichen Klage (§ 170 Abs. 1 StPO) ist das befasste Gericht für Durchsuchungsanordnungen für das laufende Strafverfahren zuständig (§ 160 Abs. 3 StPO). In dringenden Fällen, etwa bei Gefahr im Verzug, können auch Staatsanwälte oder deren Ermittlungspersonen (z. B. Polizeibeamte gem. § 152 GVG) eine Durchsuchung anordnen. Die zur Annahme der Eilbedürftigkeit führenden Gründe sind allerdings zu dokumentieren.  4. Welche Einschränkungen gibt es? Für die Durchsuchung gilt eine tagzeitliche Beschränkung. Zur Nachtzeit darf eine Durchsuchung damit nur bei Verfolgung auf frischer Tat, bei Gefahr im Verzug oder zum Zweck der Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen durchgeführt werden (§ 104 Abs. 1, Abs. 3 StPO). Zudem muss die Durchsuchungsanordnung auch verhältnismäßig sein. Die Anforderungen sind hier jedoch noch höher als bei der Durchsuchung beim Beschuldigten. Dies gilt insb. bei der Durchsuchung bei Berufsgeheimnisträgern (z. B. Rechtsanwalt, Arzt). 5. Was muss die Durchsuchungsanordnung beinhalten? Aufgrund der Verletzung des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG sind inhaltlich an den Durchsuchungsbeschluss einige Anforderungen zu stellen: 6. Was tun, wenn keine Durchsuchungsanordnung vorliegt? § 105 StPO schreibt keine bestimmte Form der Durchsuchungsanordnung vor. Regelmäßig ergeht die Anordnung schriftlich, kann jedoch auch mündlich (z. B. telefonisch) ergehen. 7. Was darf durchsucht werden? Bei einer Durchsuchungsanordnung gem. § 103 StPO dürfen die Wohnungen und sonstige Räume eines Dritten durchsucht werden (§ 103 Abs. 1 S. 1 StPO).  Zudem darf unter den besonderen Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 S. 2 StPO auch eine Gebäudedurchsuchung durchgeführt werden, die sich nicht auf eine einzelne Wohnung beschränkt, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist eine dort bezeichnete Tat begangen zu haben und sich im Gebäude aufhält.  Eine Haus- oder Wohnungsdurchsuchung bei jemandem, der kein Beschuldigter ist, ist eine erhebliche Maßnahme, die nicht ohne gründliche rechtliche Grundlage durchgeführt werden darf. Wenn Sie betroffen sind, ist es wichtig, Ihre Rechte zu kennen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Bei Fragen oder zur rechtlichen Unterstützung stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Durchsuchung beim Beschuldigten, § 102 StPO

§ 102 StPO Sind Tatsachen vorhanden, welche den Verdacht begründen, dass jemand eine Straftat begangen hat, so kann gegen den Beschuldigten eine Durchsuchung seiner Wohnung und seiner sonstigen Räume sowie seiner ihm gehörenden Sachen zum Zwecke seiner Ergreifung oder zur Auffindung von Beweismitteln angeordnet werden. 1. Was regelt § 102 StPO? § 102 StPO stellt die Rechtsgrundlage für die Durchsuchung beim Beschuldigten und Verdächtigen dar.  Bezeichnungen im Laufe des Strafverfahrens: 2. Welcher Verdachtsgrad ist erforderlich? Da die Durchsuchung gemäß § 102 StPO bereits gegen den Beschuldigten betrieben werden darf, genügt ein Anfangsverdacht. Alle wichtigen Verdachtsgrade: 3. Wer darf eine Durchsuchung anordnen? Vor Erhebung der öffentlichen Klage muss ein Ermittlungsrichter (§ 162 Abs. 1 S. 1 StPO) die Durchsuchung anordnen (§ 105 Abs. 1 StPO), ab Erhebung der öffentlichen Klage (§ 170 Abs. 1 StPO) ist das befasste Gericht für Durchsuchungsanordnungen für das laufende Strafverfahren zuständig (§ 160 Abs. 3 StPO). In dringenden Fällen, etwa bei Gefahr im Verzug, können auch Staatsanwälte oder deren Ermittlungspersonen (z. B. Polizeibeamte gem. § 152 GVG) eine Durchsuchung anordnen. Die zur Annahme der Eilbedürftigkeit führenden Gründe sind allerdings zu dokumentieren.  4. Welche Einschränkungen gibt es? Für die Durchsuchung gilt eine tagzeitliche Beschränkung. Zur Nachtzeit darf eine Durchsuchung damit nur bei Verfolgung auf frischer Tat, bei Gefahr im Verzug oder zum Zweck der Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen durchgeführt werden (§ 104 Abs. 1, Abs. 3 StPO). Zudem muss die Durchsuchungsanordnung auch verhältnismäßig sein: 5. Was muss die Durchsuchungsanordnung beinhalten? Aufgrund der Verletzung des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG sind inhaltlich an den Durchsuchungsbeschluss einige Anforderungen zu stellen: 6. Was tun, wenn keine Durchsuchungsanordnung vorliegt? § 105 StPO schreibt keine bestimmte Form der Durchsuchungsanordnung vor. Regelmäßig ergeht die Anordnung schriftlich, kann jedoch auch mündlich (z. B. telefonisch) ergehen. 7. Was darf durchsucht werden? Bei einer Durchsuchungsanordnung gem. § 102 StPO dürfen die Wohnungen und sonstige Räume des Beschuldigten sowie die ihm gehörenden Sachen durchsucht werden. Dabei muss der Beschuldigte nicht Eigentümer der Wohnung oder Sachen sein. Auch darf der Beschuldigte selbst durchsucht werden. Dazu gehört die Durchsuchung seiner Kleidung sowie seiner Körperoberfläche und -öffnungen, soweit diese ohne medizinische Hilfsmittel einsehbar sind. Dazu müssen Personen gleichen Geschlechts eingesetzt werden (Rechtsgedanke des § 81d StPO). 8. Welche Rechte habe ich als Beschuldigter? Als Beschuldigter haben Sie mehrere Rechte: Eine Haus- oder Wohnungsdurchsuchung bei einem Beschuldigten ist eine erhebliche Maßnahme, die nicht ohne gründliche rechtliche Grundlage durchgeführt werden darf. Wenn Sie betroffen sind, ist es wichtig, Ihre Rechte zu kennen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Bei Fragen oder zur rechtlichen Unterstützung stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Einlassungen des in der Hauptverhandlung anwesenden Angeklagten durch seinen Verteidiger

Gemäß § 243 V StPO[1] steht es dem Angeklagten frei, sich zu den ihm vorgeworfenen Taten zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Erklärt sich der Angeklagte zu einer Äußerung bereit, ist es Ausfluss effektiven rechtlichen Gehörs, dass er den Darstellungsumfang und die Darstellungsform selbst wählen kann. Aufgrund einer autonomen Entscheidung soll der Angeklagte frei wählen können, ob er sich mündlich bzw. durch zu Hilfenahme von Notizen einlässt oder eine vorbereitete schriftliche Erklärung verliest[2]. Der in der Hauptverhandlung anwesende Angeklagte kann sich jedoch bei seiner Einlassung grundsätzlich nicht durch seinen Verteidiger vertreten lassen. Will der Angeklagte sich zu den Vorwürfen äußern, muss er dies grundsätzlich selbst tun.[3] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist seit Jahren mit Rückendeckung der herrschenden Literaturmeinung in der Rechtsprechung dann zugelassen worden, wenn der Angeklagte durch seine Äußerung unmissverständlich klargemacht hat, dass er eine Sachverhaltsdarstellung des Verteidigers, als seine eigene gelten lassen will.[4] Es bedarf insofern einer dahingehenden Vollmacht des Angeklagten oder einer nachträglichen Genehmigung, dass die Erklärung des Verteidigers als dessen eigene gewertet werden solle.[5] Macht der Angeklagte insofern Angaben zur Sache, dürfen aus seinem Schweigen im Übrigen für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden.[6] Hinsichtlich der ausdrücklichen Bevollmächtigung des Verteidigers, hat der 3. Senat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung 3 StR 176/05 vom 28.06.2005 ausgeführt, dass die Verwertbarkeit eines durch den Verteidiger abgegebenen Geständnisses von der ausdrücklichen Bevollmächtigung oder der nachträglichen Genehmigung abhänge. Jedoch, so der Senat, könne schon aus der Einlassung des Angeklagten gegenüber den Eltern eines Nebenklägers, ‘es tue ihm leid‘, der Rückschluss gezogen werden, der Angeklagte wolle sich die Erklärung der Verteidigerin zu eigen machen.[7] Diese Rechtsprechung steht in Übereinstimmung unter anderem mit der Entscheidung des 4. Senats des Bundesgerichtshofs vom 29.05.1990 (4 StR 118/09). Auch insoweit stellte der Senat, für die Verwertbarkeit der durch den Verteidiger abgegebenen Einlassung, auf die ausdrückliche Klarstellung des Angeklagten ab, dass dieser die Äußerungen als eigene verstanden wissen will[8]. Das OLG Saarbrücken bringt diese absolut einheitliche Rechtsprechung in seinem Beschluss vom 14.9.2005 (Ss 29/05 (38/05) für den Fall auf den Punkt, dass die Erklärung des Verteidigers in einem inhaltlichen Widerspruch zu der vom Angeklagten persönlich nach Belehrung gem. § 243 IV 1 StPO abgegebenen Erklärung steht, keine Angaben zur Sache machen zu wollen. Insoweit soll sich die Zurechenbarkeit der Verteidigererklärung „nicht bereits aus einer insoweit erteilten und bei der Akte befindlichen Vertretungsvollmacht“ ergeben. Das OLG führt weiter aus: „ Aus diesem Grund kann auch das Schweigen des ausdrücklich nicht äußerungsbereiten Angeklagten zu der ins seiner Anwesenheit abgegebenen Erklärung des Verteidigers nicht als konkludente Zustimmung gewertet werden. Bei einer solchen Sachlage ist vielmehr der Verteidiger oder der Angeklagte von dem Vorsitzenden zu befragen, ob die von dem Verteidiger abgegebene Erklärung als Einlassung des Angeklagten anzusehen sei. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Erklärung in diesem Fall zum Gegenstand der Beweiswürdigung gemacht werde. Nur wenn der Verteidiger und / oder der Angeklagte die Frage bejahen, darf die Erklärung des Verteidigers zum Gegenstand der Beweiswürdigung gemacht werden.“ [9] II. Ein Urteil des 2. Strafsenats des BGH vom 20.6.2007 (2 StR 84/07) hat bei einigen Kommentatoren, die Einzelaspkte der Argumentation der Entscheidung mal wieder unkritisch nachbetend übernommen haben, offenbar zu Irritationen und der Auffassung geführt, schriftliche/mündliche Verteidigererklärungen seien unter Bruch zur bisherigen Rechtsprechung nur noch in Ausnahmefällen zugelassen. Der Angeklagte besäße nunmehr kein Wahlrecht mehr, ob er sich selbst zur Sache äußert oder eine Einlassung seines Verteidigers als eigene verstanden haben will[10]. Der Leitsatz zur Entscheidung fasst das Urteil im Kern richtig zusammen: „ Lehnt das Tatgericht es ab, Erklärungen des Angeklagten gegenüber seinem Verteidiger, der diese schriftlich niedergelegt hat, durch den Verteidiger verlesen zu lassen, so begründet dies keine Besorgnis der Befangenheit des Gerichts. Ein auf Verlesen dieser Erklärung als Urkunde gerichtete Beweisantrag ist unzulässig, da er darauf abzielt, die Einlassung des Angeklagten zu ersetzen.“ [11] Der 2. Senat führt in seinem Urteil konkret – und ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Frage, ob Befangenheitsgründe vorliegen – hierzu weiter aus: „Die Ablehnung des Befangenheitsantrags ist nicht zu beanstanden. Nach § § 24 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Diese Besorgnis lässt sich aber nicht schon allein mit einer fehlerhaften Sachbehandlung begründen. Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar, sondern nur dann, wenn die Entscheidungen abwegig sind oder den Anschein der Willkür erwecken. Abwegig oder willkürlich war die Entscheidung, als Einlassungen der Angeklagten nicht von deren Verteidigern verfasste Erklärungen verlesen zu lassen, nicht. Willkürlich könnte eine solche Entscheidung sein, wenn besondere Umstände, etwa Sprachfehler oder Sprachhemmungen, den Angeklagten am eigenen Vortrag hindern oder ihn wesentlich beeinträchtigen würden. Solche Umstände sind hier nicht vorgetragen. Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, des RG und mit Stimmen in der Literatur, wonach die Vernehmung des Angeklagten zur Sache gem. § 243 IV 2 StPO mündlich erfolgt und er sich nicht durch seinen Verteidiger vertreten lassen kann. Zudem spricht für diese Rechtsanwendung der Wortlaut des § 243 IV2 StPO, wonach der zur Äußerung bereite Angeklagte „nach Maßgabe des § 136 II StPO zur Sache vernommen” wird. Diese Meinung ist zwar nicht unbestritten. Dennoch kann angesichts der vertretenen unterschiedlichen Auffassungen die Entscheidung der StrK gegen die Zulässigkeit der Verlesung weder als abwegig noch als aus sonstigen Gründen willkürlich angesehen werden. Die StrK hat durch ihr Vorgehen im Zeitpunkt der Antragstellung und Antragsablehnung auch nicht zu erkennen gegeben, dass sie sich dem Sachvortrag der Angeklagten vollständig verschließen und ihnen auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung keine Gelegenheit zur Äußerung gegen werde. Ihr Verhalten bot deshalb für einen besonnenen Angeklagten keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit.“ III. Schlösser ist in seinem Aufsatz „Die Einlassung des Angeklagten durch seinen Verteidiger – Überlegungen zu BGH, Urteil vom 20.6.2007 – 2 StR 84/07“ [12] in vollem Umfange Recht zu geben, wenn er ausführt, dass das Urteil von einer grundsätzlichen

Durchsuchungsbeschluss 

Gemäß § 105 ist für die Durchsuchungsanordnung grundsätzlich der Richter zuständig, der folgendes bei der Beschlussfassung beachten muss: 1. Der Tatvorwurf muss möglichst genau beschrieben werden. 2. Es müssen zumindest annäherungsweise die Beweismittel genannt werden, die bei der Durchsuchung gefunden werden sollen, im Falle des § 103 StPO, der Durchsuchung beim Unverdächtigen, müssen die Beweismittel dergestalt konkretisiert sein, dass weder bei dem Betroffenen noch bei den vollziehenden Beamten Zweifel hinsichtlich der zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können. 3. Die Räumlichkeiten, die durchsucht werden sollen, sind zu konkretisieren, auch hier gilt eine besondere Konkretisierungspflicht, wenn beim Unverdächtigen durchsucht werden soll. 4. Der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten: – kein Durchsuchungsbeschluss bei sehr schwachem Anfangsverdacht, – kein Durchsuchungsbeschluss bei geringem Gewicht des Tatvorwurfs, – Beachtung besonders geschützter Bereiche (z.B. Anwaltskanzlei oder Arztpraxis) 5. Gültigkeitsdauer von 6 Monaten 6. Der Tatverdacht muss zumindest durch Tatsachen in irgendeiner Form konkretisiert sein, bloße Vermutungen reichen nicht aus! Voraussetzung für “Gefahr im Verzug” – (Check-Liste): Bei der sog. “Gefahr im Verzug” können ausnahmsweise die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen abweichend von richterlichen Vorbehalt die Durchsuchung anordnen. 1. Gefahr im Verzug ist nur dann gegeben, wenn die Einholung einer richterlichen Anordnung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls die Gefahr eines Beweismittelverlustes begründen würde. 2. Es muss der Versuch vorangehen, einen Ermittlungsrichter zu erreichen. Ungenügend ist der abstrakte Hinweis, dass aufgrund der Nachtzeit ein Ermittlungsrichter gewöhnlich nicht zu erreichen sein wird. Das BVerfG hat diesbezüglich festgelegt, dass die Länder dafür Sorge zu tragen haben, dass ein Ermittlungsrichter erreichbar ist. 3. Die Polizei darf nicht absichtlich warten, um eine Eilkompetenz zu statuieren. 4. Wird Gefahr im Verzug angenommen, müssen die Gründe für seine Annahme und die Bemühungen zur Kontaktaufnahme mit dem Ermittlungsrichter umfassend dokumentiert werden, um eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle der Maßnahme zu ermöglichen. Verwertungsverbot bei rechtwidriger Durchsuchung? Ob und ggf. in welchem Umfang Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit einer rechtswidrigen Durchsuchung gewonnen wurden, verwertbar sind, kann nicht generell beantwortet werden. Grundsätzlich gilt – (Check-Liste): 1. Keine gesetzliche Regelung hinsichtlich der Verwertung bei fehlerhafter Durchsuchung, 2. Abwägungslehre: Interessen des Gemeinwesens an der Aufklärung der Tat ist mit dem Individualinteresse des Bürgers an der Bewahrung seiner Rechtsgüter im Einzelfall abzuwägen. 3. Ein Verwertungsverbot ist die Ausnahme. Kein Verwertungsverbot insbesondere dann, wenn eine rechtmäßige Durchsuchung hätte stattfinden können, wenn der Tatrichter also feststellen kann, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Durchsuchung vorlagen (sog. hypothetischer Ersatzeingriff). 4. Hierzu gibt es allerdings eine entscheidende Ausnahme: Bei bewusster Missachtung oder gleichgewichtiger grober Verkennung des für Wohnungdurchsuchungen bestehenden oben dargestellten Richtervorbehalts, darf auf den hypothetischen Ersatzeingriff nicht abgestellt werden, die Beweismittel unterliegen in einem solchen Fall tatsächlich einem Verwertungsverbot, da ansonsten ein Ansporn zur Umgehung des Ermittlungsrichters entstünde. 5. Letztlich unterliegen unzulässig beschlagnahmte Gegenstände einem Verwertungsverbot (vgl. § 97 StPO), genau wie Zufallsfunde, nach denen gezielt gesucht wurde. Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach

Durchsuchung – Verhaltensregeln für Unternehmen

1. Am besten grundsätzlich, in jedem Fall aber bei drohender Durchsuchung, den innerbetrieblichen, vertretungsberechtigten Ansprechpartner für die Polizei/Staatsanwaltschaft festlegen und Mitarbeiter über Verhalten und prozessuale Rechte aufklären und anweisen, kein Wort zur Sache ohne Anwalt zu sagen! 2. Anweisung an die Empfangsperson, sofort die Unternehmensleitung als bei der Durchsuchung anwesenheitsberechtigte Inhaber des Hausrechts (§ 106 StPO) zu informieren. 3. Sofort Strafverteidiger benachrichtigen und Ermittlungsleiter bitten, bis zu dessen Eintreffen mit Beginn der Durchsuchung zu warten. 4. Den Ermittlungsleiter in einen Besprechungsraum bitten, Dienstausweis zeigen und Visitenkarte aushändigen lassen, jedenfalls Personalien, Telefonnummer notieren, Durchsuchungsbeschluss aushändigen lassen bzw. Kopie fertigen und auf eine Erläuterung bestehen (§ 106 Abs.2 StPO); freundlich aber bestimmt den Beamten im Hinblick auf das Anwesenheitsrecht bitten, von Durchsuchungshandlungen ohne die Anwesenheit des Vertretungsberechtigten abzusehen. Wird dieser Bitte nicht entsprochen, der Durchsuchungsbeschluss nicht ausgehändigt oder Gefahr in Verzug behauptet, nach Gründen fragen und Antworten protokollieren. Vernehmungen sind vom Durchsuchungsbeschluss nicht gedeckt und sollten im Rahmen des Hausrechts nicht genehmigt werden. Kopierraum zur Sammlung der gefundenen Unterlagen und für späteres Abschlussgespräch mit Polizei zur Verfügung stellen. 5. Bekundung der prinzipiellen Kooperation bei Prüfung der im Durchsuchungsbeschluss aufgeführten und zu beschlagnahmenden Beweismittel. Ggf. freiwillige Herausgabe dieser Beweismittel, um weitere ungezügelte Durchsuchung zu verhindern. 6. Begleitung der Beamten und Überwachung der Einhaltung des Durchsuchungsbeschlusses durch kompetente Mitarbeiter, die darauf zu achten haben, dass nur die im Durchsuchungsbeschluss aufgeführten Räumlichkeiten durchsucht und nur die aufgeführten Unterlagen mitgenommen werden. Ggf. bei der Sichtung von Unterlagen helfen und darauf drängen, dass nicht im Beschluss aufgeführte Unterlagen auch nicht mitgenommen werden. Werden umfangreiche Unterlagen zur Sichtung durch die Ermittlungsbehörden mitgenommen, auf Versiegelung bestehen. Auch wenn es keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung bei der Durchsuchung gibt, empfiehlt sich das Öffnen verschlossener Räume und die Mitteilung von Passwörtern für die EDV, um deren Mitnahme zu verhindern. Auf keinen Fall sollten Unterlagen vernichtet oder Dateien gelöscht werden (Haftgrund der Verdunklungsgefahr!). 7. Nach Abschluss der Durchsuchung auf detailliertes Verzeichnis der sichergestellten/beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen bestehen (§ 107 StPO) und um die Möglichkeit bitten, die Unterlagen und Datenträger vor deren Mitnahme zu kopieren, um unnötigen Schaden vom Unternehmen abzuwenden. 8. Fehlendes Einverständnis mit Durchsuchung und Beschlagnahme im Durchsuchungsprotokoll ausdrücklich vermerken lassen. Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach