Was ist EncroChat?

EncroChat war lange Zeit ein hochsicheres Kommunikationsnetzwerk, das vorrangig von Kriminellen genutzt wurde, um verschlüsselte Nachrichten auszutauschen. Entwickelt als abhörsicheres System, geriet es 2020 in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden, als europäische Ermittler es erfolgreich infiltrierten und Millionen geheimer Nachrichten auswerteten. Dies führte zu zahlreichen Verhaftungen und spektakulären Prozessen. Die Entstehung von EncroChat EncroChat wurde als hochsicheres Kommunikationsmittel konzipiert. Die speziell modifizierten Android-Smartphones, ausgestattet mit verschlüsselten Messenger-Diensten, boten selbstzerstörende Nachrichten und die Möglichkeit, im Notfall das gesamte Gerät zu löschen. Die Anbieter vermarkteten das System mit dem Versprechen absoluter Sicherheit – ein Aspekt, der besonders für Personen aus dem organisierten Verbrechen attraktiv war. Die Zerschlagung durch Europol Im Jahr 2020 gelang es französischen und niederländischen Ermittlern, mithilfe von Europol Zugriff auf EncroChat-Server zu erhalten. Die Behörden spielten eine spezielle Malware auf die Geräte, die es ermöglichte, Nachrichten in Echtzeit mitzulesen. Dies führte zu unzähligen Ermittlungserfolgen: Drogennetzwerke, Waffenhandel und sogar Mordaufträge wurden aufgedeckt. Die Operation war eine der größten Aktionen gegen die organisierte Kriminalität in Europa. Juristische Implikationen und umstrittene Beweisverwertung Die rechtliche Aufarbeitung der EncroChat-Ermittlungen wirft zahlreiche Fragen auf. In Deutschland ist insbesondere umstritten, ob die gewonnenen Daten als Beweismittel zulässig sind. Kritiker argumentieren, dass die Methoden der Behörden gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen, insbesondere gegen das Fernmeldegeheimnis und den Grundsatz eines fairen Verfahrens. Gerichte in verschiedenen Ländern haben unterschiedlich entschieden: Während in Großbritannien die Beweise weitgehend zugelassen wurden, zeigen sich deutsche Gerichte teils skeptisch. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

BGH: Mord durch illegales Autorennen

Das LG Hannover hat im ersten Rechtszug die Angeklagte zu sechs und den Mitangeklagten zu vier Jahren Haft verurteilt. Dem Urteil lag ein illegales Autorennen zugrunde, bei dem die Angeklagte auf der Gegenfahrbahn ins Schleudern geriet, als sie sich mit dem Mitangeklagten messen wollte, und bei einem Tempo von ca. 180 km/h mit einem entgegenstehenden PKW kollidierte, wodurch die zwei sich auf dem Rücksitz befindlichen Kinder starben. Die StA hat Revision hinsichtlich der Verurteilung der Angeklagten wegen unerlaubten Kraftfahrzeugrennens eingelegt. Der Mitangeklagten wiederum legte ebenfalls Revision ein. Der BGH hob das Urteil weitestgehend auf und verwies die Sache zurück an eine andere Kammer des LG Hannover. Dieses bewertete den Sachverhalt nunmehr als Mord in Tateinheit mit versuchtem Mord. Es sah die Mordmerkmale der Heimtücke, der gemeingefährlichen Mittel sowie der niedrigen Beweggründe als erfüllt an. Die Angeklagte wurde in dem Zuge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Bei dem Mitangeklagten blieb es bei der Verurteilung zu einer vierjährigen Haftstrafe, da nur er – und nicht die StA – Revision eingelegt hatte und damit das Verschlechterungsverbot des § 358 II 1 StPO greift. Dieses Urteil wurde mit dem vorbezeichneten Beschluss nun bestätigt. BGH, Beschluss v. 26.03.2025 – 4 StR 487/24 Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

BGH: Verwertbarkeit von EncroChat-Daten bei Cannabishandel

Sachverhalt: Der BGH hat ein Urteil des LG Berlin I aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde. Der Freispruch betraf Anklagevorwürfe, nach denen der Angeklagte mit Cannabis in nicht geringen Mengen Handel getrieben haben soll. Dabei benutzte er sog. EncroChat-Handys; die Anklage wurde auf die entsprechenden Handydaten gestützt. Der Freispruch erfolgt aus Sicht des LG unter dem Gesichtspunkt der Unverwertbarkeit der EncroChat-Daten, der BGH widersprach dem Urteil. Rechtsauffassung des BGH: Die vorgeworfenen Taten waren im Tatzeitpunkt nach § 29a I Nr. 2 BtMG als Verbrechen strafbar. Nach dem Inkrafttreten des KCanG stellen die Taten wiederum nur ein Vergehen nach § 34 I, III KCanG dar. Eine sog. Online-Durchsuchung gem. § 100b StPO, wonach die EncroChat-Daten gewonnen wurden, ist – gestützt auf § 34 I, III KCanG, der nicht Teil des Katalogs des § 100b II StPO ist – nicht zulässig. Grundsätzlich ist deshalb gem. § 2 III StGB das mildere Recht zugunsten des Angeklagten anzuwenden. In Cannabisfällen sind die Daten deshalb grundsätzlich unverwertbar. Der BGH durchbrach mit seiner neusten Entscheidung jedoch diesen Grundsatz:  Besonderheit in EncroChat-Fällen sei, dass die Daten von einem EU-Staat erhoben und dann den deutschen Behörden zur Verfügung gestellt wurden. Diese wiederum seien für die deutschen Behörden verwertbar, wenn sie nach der Richtlinie über die europäische Ermittlungsanordnung (RL EEA) rechtmäßig sind. Nach dem Rechtsprechungskomplex des EuGH zur EncroChat-Fällen (EuGH, Urteil v. 30.04.2024 – C-670/22) muss im Rahmen von Art. 6 I RL EEA geprüft werden, ob die Datenübermittlung in einem gleichgelagerten Fall nach deutschem Recht rechtmäßig gewesen wäre. Dabei ist dann jedoch die Rechtslage im Zeitpunkt der Datenanforderung – also (i. d. R. in diesen Altfällen) § 29a I Nr. 2 BtMG – zugrunde zu legen, wonach die Rechtmäßigkeit zu bejahen ist. Zuletzt ging der BGH auch davon aus, dass die aufgrund eines besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffs durch die Online-Durchsuchung vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 100e VI StPO insb. keine verfassungsrechtlichen Bedenken hervorgebracht hat.  BGH, Urteil v. 30.01.2025 – 5 StR 528/24 Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Wann ist eine Durchsuchung verhältnismäßig?

Eine Durchsuchung muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Diese Prüfung erfolgt in vier Schritten: 1. Legitimer Zweck Die Durchsuchung erfolgt, sofern sie zu einem in den §§ 102, 103 StPO genannten Durchsuchungszweck (z. B. Auffinden von Beweismitteln oder Ergreifen des Beschuldigten) erfolgt, einem legitimen, also gesetzlich gedeckten Zweck. 2. Geeignetheit Die Durchsuchung ist geeignet, wenn es den legitimen Zweck, das Erreichen des Durchsuchungszwecks, zumindest fördert oder sogar zu dessen Erreichen (z. B. dem tatsächlichen Auffinden von Beweismitteln) führt. 3. Erforderlichkeit Die Durchsuchung ist erforderlich, wenn es kein milderes, aber gleichzeitig gleichwirksames Mittel zum Erreichen des Durchsuchungszwecks gibt. 4. Angemessenheit Die Intensität des Tatverdachts sowie die Schwere der vorgeworfenen Tat (Aufklärungsinteresse) muss einen Eingriff in die Rechte des Betroffenen, insbesondere sein verfassungsmäßig geschütztes Recht aus Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) rechtfertigen. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Wann liegt eine Durchsuchung zur Ergreifung vor?

Eine Durchsuchung kann durchgeführt werden, um einen Beschuldigten zu ergreifen. Ein solches Ergreifen des Beschuldigten ist dann möglich, wenn Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Ist die Durchsuchung meiner Person zulässig?

Die körperliche Durchsuchung ist nur beim Beschuldigten und dementsprechend nur bei einer Durchsuchung bei diesem zulässig, § 102 StPO. Die körperliche Durchsuchung umfasst Nicht zulässig sind Durchsuchungen im Körper. Hier gelten die erhöhten Anforderungen der §§ 81a ff. StPO. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Was passiert mit zufällig gefundenen Gegenständen?

Werden bei einer Durchsuchung Gegenstände aufgefunden, die in keiner Beziehung zur Anlasstat (=Tat, aufgrund der ein Anfangsverdacht besteht) stehen, aber auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten, können sie grundsätzlich beschlagnahmt werden, § 108 StPO. Dies gilt allerdings nicht, wenn Zufallsfunde unter einem Beschlagnahmeverbot stehen oder die Beamten gezielt danach suchen, um sie dann als Zufallsfunde darzustellen (Umgehungsgedanke). Ein Beschlagnahmeverbot besteht bei unzulässigen Durchsuchungen zur Nachtzeit sowie hinsichtlich erkennbar beschlagnahmefreien Gegenständen gemäß § 97 StPO. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Darf eine Durchsuchung nachts erfolgen?

Die Voraussetzungen für eine nächtliche Durchsuchung richten sich nach § 104 StPO. Danach dürfen zur Nachtzeit (21 bis 6 Uhr) die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum (z. B. ein eingezäuntes Grundstück) nur durchsucht werden: Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Wie unterscheidet sich ein Strafantrag von der Strafanzeige?

Die Begriffe Strafantrag und Strafanzeige werden oft für dasselbe Instrument zur Äußerung des Strafverfolgungswillens gehalten, dies ist jedoch falsch: Merkmal Strafanzeige Strafantrag Definition Mitteilung einer Straftat an die Strafverfolgungsbehörden Formelle Erklärung, dass die Strafverfolgung einer bestimmten Tat gewünscht wird Zweck Behörden auf eine mögliche Straftat hinweisen Strafverfolgung bei Antragsdelikten ermöglichen Wer kann sie stellen? Jeder (auch Unbeteiligte) Nur der Geschädigte oder eine berechtigte Person (§ 77 StGB) Frist Keine Drei Monate ab Kenntnis von Tat und Täter (§ 77b StGB) Erforderlich für die Strafverfolgung? Nein, Ermittlungen können auch ohne Anzeige erfolgen (z. B. bei Offizialdelikten) Ja, bei Antragsdelikten zwingend notwendig (z. B. Beleidigung, Hausfriedensbruch) Rücknahme möglich? Nein Ja, aber nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung (§ 77d StGB) Beispiel zur Verdeutlichung Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Muss mein Strafantrag besondere Voraussetzungen erfüllen?

1. Form des Strafantrags Der Strafantrag muss klar formuliert sein und sich auf eine bestimmte Tat und Person beziehen. Er kann in folgender Form gestellt werden: Ein einfacher Hinweis auf eine Straftat (z. B. eine Strafanzeige) reicht nicht immer aus. Es muss erkennbar sein, dass der Betroffene ausdrücklich eine Strafverfolgung wünscht. 2. Frist für die Antragstellung Der Strafantrag muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von Tat und Täter gestellt werden (§ 77b StGB). Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt. Fabian Kremers, Wissenschaftlicher Mitarbeiter