Betäubungsmittelstrafrecht

Betäubungsmittel-strafrecht

Seit Jahrtausenden konsumieren Menschen der unterschiedlichsten Kulturen bewusstseinsverändernde Stoffe, teils als Genuss-, Rausch-, Heil- oder Schlafmittel, teils als Helden- oder Liebestränke, teilweise als Gift.

Die hierbei verwandten Substanzen wurden dabei in einigen Kulturen als Genussmittel gepflegt und verbreitet und gleichzeitig in anderen Ländern als Drogen verboten. Zumeist gingen die Menschen im Rahmen ihrer kulturellen Bräuche vernünftig mit diesen Ingredienzien um, ohne dass Regeln notwendig waren.

Bis heute werden immer wieder neue „heilende” Stoffe entdeckt, deren Wirkung insbesondere im medizinischen Bereich gefeiert wurde:

So wurde im 18. Jahrhundert die sog. „Frankfurter Pille”, ein Gemisch aus reinem Opium und Zucker, Kleinkindern zur Beruhigung verschrieben. Gegen Husten, Epilepsie und Hühneraugen brachte die Firma „Simon-Arzt” wenig später Cannabis Zigaretten auf den deutschen Markt. Das Medikament „Merck´s Cocaine” eroberte Ende des 19. Jahrhunderts als neues Wundermittel gegen nahezu jede bekannte Krankheit von Darmstadt aus den Arzneimittelmarkt. Hierbei handelte es sich um nichts anderes als um die chemische Darstellung des Hauptalkaloids der Cocapflanze, welches von seinem deutschen Entdecker kurz „Kokain” genannt worden war.

Nach und nach fand Kokain aber vor allem seine Verbreitung als Genussmittel und wurde bald gesellschaftsfähig. Neben Coca-Weinen, Coca-Zigaretten und Coca-Pastillen war es vor allem ein bis heute bekanntes Erfrischungsgetränk, welches bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts tatsächlich Coca-Bestandteile enthielt.

Letztlich entdeckten zwei deutsche Pharmakologen in gleicher Zeit durch mehrstündiges Kochen von Morphin und Essigsäure ein „Medikament”, welches sie sich mit dem geschützten Warenzeichen „Heroin” eintragen ließen. Heroin eroberte als Antihusten-, Schmerz-, und Grippemittel die Welt. Es wurde zudem als Wunderwaffe gegen Multiple Sklerose, gynäkologische Beschwerden und heute eher in Vergessenheit geratene „Krankheiten” wie Idiotie und Nymphomanie weltweit verschrieben.

Die deutsche Pharmaindustrie war damals größter Alkaloidproduzent der Welt.

Erst mit Ende des ersten Weltkrieges beugte sich Deutschland daher, obwohl bereits zuvor die Nebenwirkungen der „Medikamente” bekannt war, dem Druck der Siegermächte und verabschiedete ein erstes Betäubungsmittelgesetz, das „Opiumgesetz”. Dieses sah im Höchstmaß jedoch lediglich Freiheitsstrafen bis zu 6 Monaten oder Geldstrafen vor und beinhaltete mehrere Gesetzeslücken, so dass insbesondere derjenige, der ohne Erlaubnis mit den nun nicht mehr als Medikamenten sondern als Drogen klassifizierten Stoffen handelte, trotzdem keine strafbare Handlung beging.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts folgten zahlreiche Überarbeitungen des Betäubungsmittelstrafrechts in Deutschland, insbesondere aufgrund internationaler und völkerrechtlicher Abkommen, die neben einer Vereinfachung der Anwendbarkeit – durch Einordnung und das daraus resultierende Verbot nahezu aller bekannten bewusstseinsverändernden Stoffe als Drogen- zu einer drastischen Verschärfung der Strafrahmen geführt haben. Insbesondere das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und andere Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität”, kurz OrgKG, aus dem Jahre 1992 bescherte eine Serie neuer Verbrechenstatbestände im Betäubungsmittelgesetz, wie z.B. das bandenmäßige Handeltreiben mit nicht geringen Mengen von Betäubungsmitteln, jeweils mit Strafandrohungen bis zu 15 Jahren Gefängnis. Das heute geltende Betäubungsmittelstrafrecht ist daher weit davon entfernt in seinem Höchstmaß 6 Monate Freiheitsstrafe vorzusehen.

Vielmehr wartet bereits der „Grundtatbestand” des Betäubungsmittelstrafrecht, ebenfalls durch das OrgKG verschärft, der den unerlaubten Anbau, die Herstellung, das Handeltreiben, die Ein- und Ausfuhr, das Veräußern, das Abgeben oder sonst in den Verkehr bringen oder sich verschaffen geringer Mengen an Betäubungsmitteln umfasst, bereits mit einer Höchststrafe von 5 Jahren Gefängnis auf.

Neben zahlreichen anderen Qualifikationen dieses Grundtatbestandes, die allesamt als Verbrechen ausgestaltet wurden, ist nach OrgKG nunmehr auch jeder Umgang mit nicht geringen Mengen von Betäubungsmitteln heraufgestuft und in den „neuen” Katalog der Verbrechenstatbestände des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen wurden. Im Betäubungsmittelgesetz ist jedoch bis heute der Begriff der nicht geringen Menge ebenso wenig definiert worden, wie der der geringen oder normalen Menge.

Die Fragen, wann nun die geringe Menge in die normale übergeht und wo schließlich die Grenze von der normalen zur nicht geringen Menge liegt, war daher in Literatur und Rechtsprechung lange Zeit lebhaft umstritten. Die Rechtsprechung stellt heute bei der Feststellung dieser Grenzwerte nicht auf die eigentliche Gewichtsmenge der vielfach durch Streckmittel angereicherten Drogengemische ab, sondern auf die sog. Wirkstoffmenge. In einem zweistufigen Verfahren wird dabei die nicht geringe Menge durch ein Vielfaches der zum Erreichen eines Rauschzustandes erforderlichen Wirkstoffmenge bestimmt, durch das Produkt der üblichen Konsumeinheit und einer an der Gefährlichkeit der jeweiligen Droge orientierten Maßzahl. Auch wenn diese juristische „Mengenlehre” im Betäubungsmittelstrafrecht durch die Literatur immer wieder als eine Gefahr der Strafverunzung bzw. eines Strafmaßes nach Gewischt begegnet, sind die vom Bundesgerichtshof inzwischen für nahezu alle Betäubungsmittelarten festgesetzten Grenzwerte allgemein anerkannt und somit auch vom versierten Strafverteidiger kaum angreifbar.

Welche Folgen diese starren Grenzen und die durch sie bedingte Anwendbarkeit der neu geschaffenen Verbrechenstatbestände des BtMG, die eingeführt wurden, um dem illegalen Drogenhandel zu begegnen, mit sich bringen, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass unabhängig davon, ob der Täter dem vom Gesetzgeber zu treffenden Personenkreis organisierter Kriminalität tatsächlich angehört, oder nicht, bei Überschreitung der Grenzwerte z.B. auch der selbst abhängige Drogendealer, der Betäubungsmittel einführt und mit ihnen Handel treibt, um seine eigene Sucht zu finanzieren, den genannten erheblichen Strafandrohungen ausgesetzt wird.

Insbesondere vor dem Hintergrund der Nähe zu anderen europäischen Staaten, die in ihrer Handhabe im Betäubungsmittelstrafrecht merklich von eben solch starren Grenzen abweichen und einer zumindest angedachten Vereinheitlichung europäischen Rechts, kann diese, dem ursprünglichen Rechtsgedanken der Normen widersprechende momentane Anwendung, auf Dauer nicht aufrecht erhalten bleiben. Es bleibt abzuwarten, wann insofern endlich reagiert wird, und Verurteilungen einzig auf Grundlage der festgesetzten Grenzwerte des BGH, ohne tatsächliches Abwägen aller Zusatzumstände im Einzelfall, der Vergangenheit angehören.

Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt allerdings dem erfahrenen Strafverteidiger keine andere Möglichkeit, als mit den vorhandenen Instrumentarien auszukommen und zumindest diese gewinnbringend für seinen Mandanten zu nutzen um einen sog. minder schweren Fall des jeweiligen Tatvorwurfs zu statuieren.

Hierher gehört vornehmlich die Aussicht, durch Aufklärungshilfe des Mandanten in Form der freiwilligen Offenbarung seines Wissens schon im Ermittlungsverfahren, die Weichen für eine spätere Anwendbarkeit des einzig im deutschen Strafrecht verbliebenen Kronzeugenparagraphen, § 31 BtMG, zu stellen.

Neben die Aufgaben der Verteidigung im Ermittlungs-, Zwischen- und Hauptverfahren, die allesamt darauf abzielen müssen, die Einordnung des strafrechtlichen Vorwurfs möglichst gering zu halten, tritt die anwaltliche Unterstützung des Mandanten im Vollstreckungsverfahren. Hierbei ist insbesondere die Chance einer Therapieabsolvierung statt der Verbüßung der Gefängnisstrafe zu nennen, die es dem Verurteilten ermöglichen soll, nach erfolgreichem Abschluss in ein geregeltes Leben zurück zu finden.

Letztlich sei darauf hingewiesen, dass entgegen der in der Bevölkerung weit verbreiteten Ansicht auch derjenige den Vorschriften des Betäubungsmittelstrafrechts und somit der staatlichen Verfolgung unterfällt, der Betäubungsmittel in geringen Mengen lediglich zum Eigenverbrauch ankauft und besitzt.

Einzig der Konsum steht bis heute in Deutschland nicht unter Strafe!
Rechtsanwalt Gerd Meister,Mönchengladbach

Strafverteidiger Mönchengladbach